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Sirenenlied

Sirenenlied

Titel: Sirenenlied
Autoren: Tanja Heitmann
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Sirenenlied kam. Doch in die Gesichter der Älteren, wie etwa bei ihrer Großmutter, schlich sich Unsicherheit, bei einigen Fischerfrauen sogar Angst.
    Für gewöhnlich gehörte Eileen ebenfalls zu denjenigen, die eine bissige Bemerkung auf der Zunge hatten, wenn die Frühjahrsstürme Cragganmore Island umtosten, als wollten sie es in die Tiefe reißen. »Es ist ja nicht so, als wären die Sirenen allein daran schuld, dass die Burschen völlig von Sinnen absaufen, weil sie ein Lied gehört haben und deshalb unbedingt ins Meer springen müssen. Denn wenn es den Kerlen gelingt, bei dem Höllenlärm, den jeder Sturm veranstaltet, lockenden Gesang zu hören, müssen sie schon schwer motiviert gewesen sein.«
    Solche Sprüche wollten ihr mittlerweile nicht mehr gelingen. Dafür stand Josh Galbraith, auf den sie schon seit einiger Zeit ein Auge geworfen hatte, eindeutig zu sehr neben der Spur.

    Bevor Josh in die Küche trat, die außer der Küchenzeile auch einen Esstisch Marke Eigenbau beherbergte, kündigte ihn sein entschlossener Schritt an. Jetzt heißt es Zähne zusammenbeißen, feuerte Eileen sich an. Sonst stehe ich gleich draußen vor der Tür.
    »Also«, setzte Josh an, sobald er die Küche erreicht hatte. »Das mit den Pfannkuchen ist eine wirklich supernette Idee, da freue ich mich wirklich drauf. Und es tut mir ehrlich leid, was ich gestern Nacht über wogende Dinge gesagt habe. Das habe ich nicht so gemeint, jedenfalls nicht abfällig«, fügte er nach einem Blick auf Eileens enges T-Shirt hinzu. »Aber ich habe total verpennt und muss jetzt los. Logan wartet bestimmt schon auf mich.«
    »Das glaube ich nicht«, erwiderte Eileen, während sie sich demonstrativ auf einen der Holzstühle setzte und auf den frisch eingeschenkten Kaffee deutete. »Logan hat sich heute Morgen mit meiner Mutter zu einer gemeinsamen Fährfahrt verabredet, weil er drüben einiges zu erledigen hat. Oder lässt er dich seit neuestem etwa auch ohne Aufsicht an seinen Kindern herumwerkeln?«
    So, da hatte sie ihn eiskalt erwischt.
    Stumm schüttelte Josh den Kopf, dann setzte er sich ebenfalls an den Küchentisch und starrte stur zum Fenster hinaus.
    »Das mit den wogenden Dingen...«, fing Eileen vorsichtig an.
    »Es tut mir wirklich leid«, wiederholte Josh.
    »Ich habe darüber nachgedacht, warum dich das Thema so reizt. Du bist doch sonst niemand, der leichtfertig einen Streit vom Zaun bricht.«
    »Echt, ist das so? Ich wusste gar nicht, dass wir uns so gut kennen.«

    Er warf ihr einen wütend funkelnden Blick zu, wie Eileen mit einem Kloß im Hals feststellte. Doch so schnell wollte sie nicht klein beigeben.
    »Nun ja, so gut wie man sich eben kennt, wenn man auf einer Insel mit nicht einmal fünfzig Einwohnern und ein paar verirrten Touristen lebt. Irgendetwas stimmt nicht mit dir, wenn es aufs Frühjahr zugeht. Und das jedes Jahr, obwohl es dieses Mal besonders schlimm zu sein scheint. Schließlich haben die Stürme ja noch nicht einmal richtig begonnen. Das ist nicht nur mir aufgefallen, wenn du es wissen willst.«
    »Ach, lass mich raten: Wirtin Mary teilt deine Beobachtung. Vor allem nach drei Pints und zwei Whiskys auf Kosten des eigenen Hauses.«
    Eileen gestand sich ein, dass sie sich in eine Sackgasse befördert hatte. Mit einem aufmunternden Nicken deutete sie auf die dampfende Kaffeetasse und den Teller mit Pfannkuchen. Josh sah sie scharf an, als erwarte er, dass sie gleich mit der nächsten Runde des unerfreulichen Dorfklatsches loslegen würde. Dann zuckte er mit den Schultern und griff zu.
    Obwohl ihr das Herz dröhnend gegen die Rippen schlug, gönnte Eileen sich einen Moment, ihn zu betrachten. Was sein Äußeres anbelangte, so war Josh Galbraith ein ordentlicher Fang, besonders wenn man braunrotes Zottelhaar und Kusslippen mochte. Darüber hinaus verfügte er über eine angenehme Männerstimme und wurde ausgesprochen süß, wenn er im Peebles zu tief ins Glas geschaut hatte. Eileen fielen noch mehr Dinge ein, die Josh in ihren Augen auszeichneten, aber sie war sich durchaus bewusst, dass es mit der vielen Zeit zusammenhing, die sie damit verbracht hatte, ihn zu beobachten. Das war ausgesprochen
einfach gewesen, er schaute nämlich bedauerlicherweise selten in ihre Richtung - enges T-Shirt hin oder her. Nicht, dass er kein Interesse an Frauen hegte, denn wie gesagt: Mit ein paar Drinks intus konnte er sehr süß werden, wie einige Damen aus dem Dorf ohne Zögern bestätigten. Eileen hatte sich bislang noch nicht
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