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Sintflut (German Edition)

Sintflut (German Edition)

Titel: Sintflut (German Edition)
Autoren: Gina Schulze
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ich längere Zeit nichts von mir hören lassen würde. Das war brutal, aber ich konnte nicht anders. Bis dahin hatte ich Marlene nicht groß angelogen oder ihr irgendwelche Stories aufgetischt. Sie fragte nie so genau, was ich machte, auch wenn ich für ein paar Tage weg war. Die Information ›Geschäftsreise‹ genügte ihr. Wenn ich ihr mehr erzählen wollte, konnte ich das tun, wenn nicht, dann nicht. Ich brauchte also nur zu schweigen, um die Wahrheit vor ihr zu verbergen. So wollte ich es auch halten, als wir in Rumänien waren. Auch wenn das für sie noch so hart war: Ich konnte ihr nicht täglich Mails schreiben und vorgaukeln, ich sei auf einer Bergtour in den Alpen. Also hinterlegte ich das Buch für sie, das war für mich der erste Schritt zu allen späteren Geständnissen, die ich ihr zu machen hatte, wenn die Sache mit dem Schatz erst entschieden war.
    Um es gleich zu sagen: Marlene fand alles heraus. Einmal Polizei, immer Polizei. Sie hatte sogar die verrückte Idee, sich mit dem Schatz auf und davon zu machen, aber dann ist sie doch bei mir geblieben. Nicht etwa aus Liebe, sondern weil sie von Paula erfuhr, dass Akans Leute den armen Professor Goppel entführt hatten und – koste es was es wolle – aus ihm herauspressen wollten, wo die Figuren aus der ersten Kammer sind. Da gab Marlene ihren Plan auf und ließ Akan eine Nachricht zukommen, wo der Schatz zu finden sei. Er schuldete ihr noch einen Gefallen und so konnte sie von ihm verlangen, keine Fragen zu stellen und Goppel frei zu lassen.
    Er wird seinen Leuten jetzt einiges zu erklären haben. Woher er plötzlich wusste, wo der Schatz war, und warum er nicht sagt, wer ihn genommen hat. Aber als ehemaliger Geheimdienstmann darf er seine Quellen nicht preisgeben, das nimmt ihm jeder ab. Und da er außerdem ein Alibi hat, wird ihn auch keiner verdächtigen, den Schatz selber beiseite gebracht zu haben.
    Marlene ist mir ein Rätsel. Einerseits löst sie Goppel aus und man könnte denken, sie habe ein Herz und sei ein guter Mensch. Andererseits wollte sie den Schatz für sich behalten. Verscherbeln wollte sie ihn, das musst du dir mal vorstellen. Es hat mich furchtbar geärgert, dass sie mich so austricksen wollte. Auch ihre Freunde in Pluton und ihre geliebte Schwester wären leer ausgegangen. Das hätte nicht mal Sophie fertig gebracht, Schliemanns goldversessene Frau. Marlene behauptet zwar, nicht ohne mich leben zu können und dass sie mich schon wieder ins Boot geholt hätte, aber ich weiß nicht, ob ich das glauben soll.
    Ihre kriminelle Energie hat mich nicht überrascht. Damals, als es ihr wegen den Asmanis so übel erging, war sie zwar nicht schwach geworden, aber sie hat sich schwer geärgert, weil sie die Million nicht wirklich auf einem Konto hatte. Wochenlang sann sie auf Rache, und dabei ging es ihr nicht um ihre Rehabilitierung, sondern um einen Gegenschlag. In ihrer Wut ist sie zu allem fähig, aber nicht hirnverbrannt, sondern kalt und berechnend. Als ihr klar wurde, dass ich die Kammer ausgeräumt hatte, durchwühlte sie meinen Rucksack, fand meine Aufzeichnungen, reimte sich alles richtig zusammen, fuhr allein nach Rumänien, spürte das Versteck auf und setzte sich mit diesem Fettsack Birgul in Verbindung, weil sie dachte, er könnte ihr beim Verkauf behilflich sein. Ich war fassungslos, als sie mir das gebeichtet hat. Dabei wirkt sie immer so harmlos. Harmlosigkeit ist eben auch eine Waffe, und im Grunde kann man niemanden trauen, sich selbst am allerwenigsten.
    Aber der Schatz steht nicht mehr zwischen uns. Marlene hat immer mehr an ihrem Verhalten gezweifelt und war für Goppels Entführung richtig dankbar. Sie konnte sich ohne Gesichtsverlust wieder auf die Seite der Guten schlagen, wo sie sich halt doch viel wohler fühlt. Wer könnte das besser verstehen als ich, schließlich habe ich jahrelang in diesem Konflikt gelebt.
    Als ich im Krankenhaus aufwachte, sah ich als Erstes mein Notizbuch auf dem Nachttisch liegen, von Marlene keine Spur. Ich verstand nicht, wo es plötzlich herkam, aber es konnte nichts Gutes bedeuten.
    Erst über eine Woche später besuchte mich Marlene zum zweiten Mal. Sie kam gerade aus Rumänien zurück, hatte meinen Schatz an sich genommen, mit Birgul gesprochen, dann aus irgendeinem Grund mit Paula telefoniert und bei der Gelegenheit erfahren, was mit Goppel passiert war.
    Doch all das erzählte sie mir erst viel später, zunächst war ich mal dran. Als Erstes habe ich ihr versichert, dass ich weder
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