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Sintflut (German Edition)

Sintflut (German Edition)

Titel: Sintflut (German Edition)
Autoren: Gina Schulze
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stand sich mit Paula ganz gut und besuchte sie fast täglich in ihrem Haus. Hielt ein Schwätzchen mit ihr, erfuhr dies und jenes, berichtete mir, sobald er wieder in seinem Atelier war. Eines Tages sah er ein paar Polaroids vom Freund des Denkers auf dem Tisch liegen, den sie draußen vor der Arche aufgenommen hatte. Ich kannte die Stelle genau, denn ich hatte auch schon davor gestanden, aber Ludovico hätte mir nie erlaubt, ein Foto zu machen, so misstrauisch, wie er war.
    Flavio fragte Paula, was sie mit den Bildern vorhätte. »Für meine Sammlung, aber das meiste ist Ausschuss«, antwortete sie, ohne zu ahnen, was sie damit auslösen würde. Geistesgegenwärtig nahm Flavio ein Exemplar und steckte es ein, Paula merkte nichts. Dann schickte er das Foto an mich, um mir zu zeigen, wie ernst die Lage bereits war. So lag eine ihrer Aufnahmen schon lange vor ihrem Brief auf meinem Schreibtisch.
    Paula und ihre Polaroidkamera, was für eine Lachnummer. Polaroids sind ein Mythos. Nach dem Aufkommen der digitalen Bildbearbeitung hat diese veraltete Technologie eine enorme Aufwertung erfahren. Digitale Bilder, so heißt es, seien alle Schwindel, analoge Polaroids dagegen echte Momentaufnahmen und keiner Manipulation zugänglich. Wenn man das schon glaubt, dann muss man so ein kostbares Original aber auch hüten wie seinen Augapfel. Nicht so wie Paula, die von einem Motiv beliebig viele Aufnahmen knipst und dann zu schusselig ist, den Überblick zu behalten. Bis heute ist sie nicht auf die Idee gekommen, ausgerechnet eins ihrer Polaroids könnte die Grundlage der Datei sein, die Marlene in ihrem Notebook mit nach Pluton brachte.
    Kaum hatte ich das Polaroidfoto in der Hand, kam mir eine Idee, wie ich Paula ausbremsen konnte. Ich wollte möglichst viel Verwirrung stiften und sie in Verlegenheit bringen. Zu diesem Zweck erfand ich das zweite Bild. Meine Idee war gut, das hat selbst Marlene zugegeben. Mit Paulas Polaroid konnte ich auf subtile Art beweisen, dass zwanzig Jahre früher schon jemand in Pluton gewesen war. Ich legte es auf meinen Scanner, zog es auf den Bildschirm und machte die Bäume kleiner, damit es aussah, als wäre es viel früher entstanden. Irgendwann würde jemand Paula mein Werk unter die Nase halten und sie um eine Erklärung bitten. Sie würde eins ihrer Polaroids daneben legen und sich furchtbar wundern. Es war nur eine Frage der Zeit, dann würde das große Rätselraten beginnen.
    Ich schickte das manipulierte Foto unter anderem Namen an einige Zeitungsredaktionen, zusammen mit einem Pressetext, der Informationen über Paula enthielt und sich ansonsten in Andeutungen erging – über die Arche Noah, über die Sintflut und über den größten und ältesten Goldschatz der Geschichte. Auch Professor Goppel und Martin bekamen ein Exemplar.
    Mein alter Freund Hans Dietzendorf meldete sich als Erster. Er wusste nicht, woher Bild und Text kamen, aber er wusste, Paula war meine Schwägerin. Ich hatte nichts dagegen, mich von ihm ausfragen zu lassen und gab ihm noch ein paar zusätzliche Hinweise, wodurch er den anderen Presseleuten ein Stück voraus war.
    Unterdessen geriet Paula immer mehr unter Druck. Ich hoffte, man würde in Pluton misstrauisch gegen sie und die Zusammenarbeit einstellen. Schließlich waren die Leute dort streng darauf bedacht, ihr Geheimnis zu wahren. Es musste sie schwer beunruhigen, dass plötzlich Informationen über den Schatz kursierten, es sollte ihnen so vorkommen, als sei irgendwo eine undichte Stelle und als spiele Paula vielleicht mit gezinkten Karten.
    Es kam aber alles anders, als ich geplant hatte. Paula schickte Marlene eins ihrer Polaroids, sodass beide Bilder rasch im Umlauf waren. Marlene zeigte es Fleischmann, der lief damit zu Goppel und so weiter. Alle entdeckten den Unterschied. Das war gut für mich, aber leider war nun Marlene in die Sache verwickelt. Paula konnte ja nicht wissen, was für einen Schlag sie mir mit ihrem Hilferuf versetzte. Ich schluckte die Pille, aber es fiel mir verdammt schwer.
    Die Sache mit der manipulierten Datei ärgert Marlene fast noch mehr als meine Lügen. Das kann ich gut verstehen. Schließlich fand auch sie nur heraus, was sie herausfinden sollte, und so was kann sie gar nicht leiden. Sie hat sich genauso foppen lassen wie alle anderen und wird jedes Mal rot, wenn die Sprache darauf kommt. Aber ich hoffe, auch darüber wird Gras wachsen. Das ist mein liebster Spruch in letzter Zeit. Nicht besonders originell, aber beruhigend.
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