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Sinnliche Versuchung in Italien

Sinnliche Versuchung in Italien

Titel: Sinnliche Versuchung in Italien
Autoren: Rebecca Winters
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aus und ging in das größte der drei Schlafzimmer, wo sie das Bett schon frisch bezogen vorgefunden hatte. Die kuschelige Atmosphäre ihrer Umgebung hüllte sie ein. Hier hatten über Generationen hinweg Menschen gewohnt und ihre Spuren hinterlassen.
    Mit einem Seufzer schlug sie die Decke zurück und ließ sich aufs Bett sinken. Schade, dass sie nicht bei geöffnetem Fenster schlafen durfte. Die Nachtluft war so verführerisch mild und weich wie Seide. Doch Guilio hatte ihr ausdrücklich davon abgeraten.
    „Die Gegend ist recht einsam. Man kann nie vorsichtig genug sein.“
    Wahrscheinlich hatte er recht. Am nächsten Tag wollte er ihr ein Auto zur Verfügung stellen, damit sie in ihrer Freizeit unabhängig und in der Lage war, allein die Landschaft zu erkunden. Darauf freute sie sich schon.
    Als sie die Augen schloss, verspürte sie ein Gefühl von Geborgenheit. Vielleicht waren die Menschen, die hier einmal gelebt hatten, glücklich gewesen, hatten sich geliebt und miteinander gelacht …
    Dort, wo sein Land an die Straße grenzte, die sich in Serpentinen den Berg hochwand, forderte Lucca den Fahrer auf, den Wagen anzuhalten. Dann bezahlte er, stieg mühsam aus, nahm seinen schweren Seesack aus dem Kofferraum und wartete, bis er die Rücklichter des Taxis nicht mehr sah.
    Der Vollmond schien. Es war längst nach Mitternacht und kein Mensch weit und breit zu sehen, der sich wundern könnte, warum hier jemand um diese Uhrzeit noch unterwegs war. Lucca schaute sich um und atmete die würzige Luft ein. Sofort wurden Erinnerungen an seine Kindheit wach, als seine Mutter noch gelebt und er sich hier zu Hause gefühlt hatte.
    Dann begann er mit dem Aufstieg. Jeder Schritt kostete ihn Kraft. Früher war er zwischen den Orangen- und Zitronenbäumen behände wie eine Gämse den Hang hochgeklettert.
    Mehr als das Bein quälte ihn, dass er den Absturz überlebt hatte und sein bester Freund, der mit ihm in der Maschine gesessen hatte, dabei ums Leben gekommen war. Unter solchen Schuldgefühlen litten viele Überlebende, wie er inzwischen wusste. Dass nicht menschliches Versagen, sondern technische Fehler die Unfallursache gewesen waren, wie eine Untersuchung bald ergeben hatte, tröstete ihn überhaupt nicht. Auch das sei ganz normal bei Jet-Piloten, hatte ihm der Psychologe versichert. Das machte es allerdings keineswegs leichter.
    Er brauchte ein neues Ziel. Nicht nur, weil er als Pilot für die Fliegerei untauglich geworden war. Eine neue Aufgabe würde ihm vielmehr in jeder Hinsicht guttun.
    Schon als Jugendlicher hatte er seinem Vater gegenüber geäußert, dass er Landwirt werden wolle. Doch Guilio hatte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. „Das kommt gar nicht infrage. Deine Vorfahren mütterlicher- und väterlicherseits waren es, bis mein Vater die Amalfi – Werke gegründet hat. Ich werde nicht zulassen, dass mein Sohn einen solchen Rückschritt macht und sich unter glühender Sonne von morgens bis abends abrackert, nur um sich gerade über Wasser halten zu können. Das dulde ich nicht. Schlag dir das aus dem Kopf, und hör auf mich. Du bist ein Cavezzali und ein hervorragender Schüler, der das Zeug zu etwas Besserem hat. Ich möchte, dass du einmal in meine Fußstapfen trittst.“
    Nach dieser Standpauke hatte er nie wieder über diesen Berufswunsch gesprochen und war gegen den Willen seines Vaters Offizier geworden. Er hatte aber den Plan, Landwirt zu werden, nicht aufgegeben und seit Jahren etwas von seinem guten Verdienst zur Seite gelegt. Nun war die Zeit gekommen, es zu investieren.
    Außer Atem vor Anstrengung blieb er stehen. Hatte sein Großvater Lorenzo auch bei jedem Schritt solche Schmerzen gehabt? Wenn ja, dann ohne jemals ein Wort darüber zu verlieren. Er hatte bis zu seinem Tod hier gearbeitet, obwohl er schwer verletzt aus dem Zweiten Weltkrieg nach Hause gekommen war und ohne Krücke nicht hatte laufen können.
    Als Kind war Lucca ihm gern zur Hand gegangen, wie auch seine Mutter, solange sie lebte. Schon sie war hier aufgewachsen und hatte das Landleben geliebt. Ihr wäre es recht gewesen, wenn er die Tradition fortsetzte und hier arbeitete und wohnte.
    Der Seesack schien plötzlich immer schwerer zu werden, und Lucca hätte ihn gern eine Weile abgesetzt. Er war sich aber unsicher, ob er in der Lage wäre, ihn wieder auf die Schulter zu heben. Es gab hier zwar genug Obstbäume, an deren Äste er ihn hätte hängen können. Doch hielten sie das Gewicht auch aus? Wahrscheinlich nicht.
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