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Sinfonie des Todes

Sinfonie des Todes

Titel: Sinfonie des Todes
Autoren: Armin Öhri / Vanessa Tschirky
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Kapitel
    Für Cyprian von Warnstedt war an Schlaf nicht zu denken gewesen. Gegen halb zwei Uhr morgens war er in seiner Wohnung angekommen, und um fünf sollte er sich bereits in den Floridsdorfer Auen einfinden. Wenn er es recht bedachte, so war ihm die ganze Angelegenheit zuwider. Welcher Teufel hatte ihn denn nur geritten, das unselige Amt eines Sekundanten anzunehmen?
    Als es auf vier Uhr zuging, wechselte er die Kleider vom Vortag und schlüpfte in wärmere Sachen. Auch die eleganten Schuhe tauschte er gegen trittfeste Stiefel ein. Danach putzte er seine Zweitwaffe, einen verlässlichen Handrevolver, ließ einige Patronen in seine Manteltasche kullern und kontrollierte, ob noch genug Petroleum in der Blendlaterne war, die er früher, noch zu Beginn seiner Karriere, als einfacher Polizist immer auf Streife verwendet hatte.
    Er trat schließlich ins Stiegenhaus, schloss die Tür und ließ die Behaglichkeit seiner Behausung hinter sich. Sobald er unten auf dem Gehsteig angelangt war, sah er sich nach einem Fiaker um. Zwei Straßenkreuzungen weit musste er gehen, bis er ein am Rand abgestelltes Gefährt erblickte. Der Kutscher war eingenickt, doch ein sanfter Stoß in die Seite ließ ihn hochfahren.
    »Nach Floridsdorf«, beschied ihm der Inspektor, als er einstieg.
    Überall lag nun Schnee. Der Sturm hatte sich mittlerweile gelegt, doch die Verwehungen auf den Straßen waren an den unzähligen Haufen aus Eis und Graupel nur allzu deutlich zu erkennen. Das Knirschen des bereiften Bodens, als die Kutschenräder darüber glitten, sowie das leichte Schlingern des Fiakers taten ihr Übriges, um Cyprian an den Wintereinbruch zu erinnern.
    Sie fuhren nach Norden, wobei sie auf den 21. Bezirk zuhielten. Es war ein Viertel, gegen das der Gendarm eine Aversion hegte, die wohl beruflich bedingt war. Die Donau war hier ungebändigt, in kleine Arme aufgespalten und manchmal durch Auen völlig unzugänglich – der ideale Rückzugsort für Huren und Säufer. Im Schutze der Nacht gab es regelmäßig Keilereien, Diebstähle und Duelle in diesem Gebiet.
    Als durch das vordere Guckloch, am Körper des Fahrers vorbei, die Floridsdorfer Brücke in Sicht kam, gab Warnstedt durch Klopfzeichen zu verstehen, dass er aussteigen wolle. Er bezahlte und wartete ab, bis der Kutscher gewendet hatte, bevor er auf das im Dunkeln liegende Viadukt zuschritt. Es war besser, von vornherein mögliche Zeugen des Treffens auszuschließen.
    Nebel waberte vom Fluss herauf. Im kegelförmigen Lichtschein zweier Lampen, die an dem steinernen Geländer angebracht waren, erhoben sich die Umrisse dreier Gestalten. Wie Gespenster wirkten sie, wie schwarze Scherenschnitte aus einem Marionettentheater.
    Der Inspektor erkannte das bärtige Gesicht Arthur Schnitzlers, als er etwas näher herangetreten war, und den tadellos geschnittenen Anzug Stephan Schraders. Daneben sah er das verbissen wirkende Antlitz seines Freundes, des Sektionsrats. Die eingefallenen Wangen und die kaum noch wahrzunehmenden Augen, die tief in ihren Höhlen lagen, ließen Warnstedt Mitleid empfinden.
    Keiner sprach ein Wort.
    Schnitzler trug einen Leinensack mit sich. Er öffnete diesen, um ihm ein festeres Schuhwerk zu entnehmen und ließ im Gegenzug seine eleganteren Treter darin verschwinden, nachdem er sie ausgezogen hatte. Fichtner bemerkte erstaunt die Umsicht, die der Arzt walten ließ, und deutete dann einladend auf die steinernen Stufen, die zum Fluss hinabführten und sich im Nebel verloren.
    Stephan Schrader schritt voran, die anderen folgten ihm.
    Der Weg führte die vier Männer durch sumpfiges Marschland, dessen Untergrund zeitweise von Wasser umspült war. Als sie im Lichte der Laternen ausschritten, merkten sie sich diese Stellen, die einzigen nämlich, die nicht vollständig vom Neuschnee bedeckt waren. Vielmehr hatte sich der Morast hier durchgesetzt und sich mit der Flüssigkeit zu einer matschigen braunen Konsistenz verbunden. Ab und an blinzelten einige gefrorene Grashalme aus dem Boden.
    Die Richtung, die sie eingeschlagen hatten, war leidlich gut und führte sie immer tiefer in die Auenlandschaft, bis sie sich auf einer lang gezogenen Halbinsel befanden, deren abgestorbenes Schilf- und Rohrdickicht eine Art natürliche Palisade bildete. Es war der perfekte Ort für einen Ehrenhandel.
    »Wir werden nach dem militärischen Duell-Codex des Fechtmeisters Hergsell vorgehen«, durchbrach der Inspektor die Stille. »Darf ich den Offizier Schnitzler bitten, zusammen mit mir
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