Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sinfonie des Todes

Sinfonie des Todes

Titel: Sinfonie des Todes
Autoren: Armin Öhri / Vanessa Tschirky
Vom Netzwerk:
Schrader am Abend noch einmal im Ministerium erscheint, sieht er das Unfassbare. Kannst du es dir schon denken, Lina?«
    »Das Kassenbuch ist verschwunden«, murmelte sie.
    »Richtig«, bestätigte Fichtner mit harter Stimme. »Und in diesem Moment wurde der liebe Herr Ministerialbeamte von Panik gepackt. Er wusste, es konnte nur einen geben, der die Unterlagen mitgenommen hatte; und nun hieß es, eine Katastrophe zu verhindern, koste es, was es wolle. Vielleicht hat Schrader schon vorher geahnt, dass ihm Wilhelm auf der Spur war, vielleicht hat er einfach den Kopf verloren, wer weiß das schon? Stephan Schrader jedenfalls durchstöbert den Schreibtisch meines Bruders oder sein Kastenfach oder seine Schubladen und findet irgendwo einen Zweitschlüssel, von dem er wusste, dass ihn Wilhelm im Büro hinterlegt hatte. In der Nacht schließlich dringt er in dieses Haus hier ein, bringt seinen Mitarbeiter um, stellt das Ganze als Selbstmord dar und lässt zum Beweis das gefälschte Doppelexemplar auf dem Schreibtisch liegen. Somit würde alles darauf hindeuten, dass Wilhelm sich selbst gerichtet habe, denn falls bei der Geschäftsprüfung alles ans Licht käme, so würde dies den Freitod hinreichend erklären.«
    »So weit, so gut«, sagte die Witwe sarkastisch. »Aber was habe ich mit der ganzen Angelegenheit zu tun?«
    »Das kann ich dir verraten. Du verdammtes Miststück hast die Lage durchschaut. Womöglich warst du sogar von Wilhelm über seinen Verdacht informiert worden und hattest gleich schon Stephan Schrader im Verdacht. Jetzt liegt es an dir, mir zu erklären, wieso ihr euch gegenseitig ein Alibi gegeben habt.«
    »Ist das nicht offensichtlich?«, lachte sie höhnisch auf. »Dein Bruder war ein Niemand, ein Versager auf der ganzen Linie, Robert. Schau dir nur einmal dieses Haus an. Leer und verlassen ist es. Keine Diener mehr, keine Zugehfrauen, kein Koch. Alle verschwanden mit der Zeit. Nichts ist mir geblieben. Schrader hat vorgemacht, wie man sich bedient, aber Wilhelm war sich zu fein dafür. Er konnte nicht zugreifen, er blieb loyal. Dieser Idiot.«
    »Und in der Mordnacht? Was genau geschah da?«
    »Ich war tatsächlich spazieren. Wilhelm war in der Kaisermühle bei seinen abgewirtschafteten Freunden, um wieder einmal unser Haushaltsgeld zu verpulvern. Als ich heimkam, war er bereits tot, und ich ahnte alles. Als Absicherung habe ich dann einen Brief geschrieben, in dem ich Schrader und seine Machenschaften erwähnte. Diesen Brief steckte ich in ein Kuvert, und dieses Kuvert in ein zweites, dem ich eine Notiz beifügte, das innere Schreiben sei zu öffnen, falls mir unerwartet etwas geschehen sollte. Ich machte mich dann auf zu Schrader und warf das dicke Kuvert unterwegs in einen Briefkasten. Alles war an einen mir bekannten Notar am Minoritenplatz adressiert.«
    »Du hast also Schrader aufgesucht, während dein Mann in seinem eigenen Blut lag?«
    »Spiel jetzt nicht den barmherzigen Samariter, Robert. Aber ja, ich ging zu Stephan und setzte ihm die Pistole an die Brust. Natürlich nur bildhaft. Er hat erstaunlich beherrscht reagiert. Ich musste ihm nicht einmal einschärfen, dass mein Anwalt alles veröffentlichen werde, falls mir unerwartet etwas zustoße. Er war schlau genug, sich in seine Lage zu schicken. Und so seltsam es auch klingen mag, wir sind uns sympathisch. Ich glaube sogar, er genießt es, mir zu Willen zu sein, mich mit Schweigegeld zu verwöhnen. Gleich im Anschluss bin ich heimgeeilt und habe die Polizei informiert.«
    Fichtner schnaubte tief durch. Er hustete kurz und spuckte einen Klumpen Blut auf den Teppich.
    »Aber, sag mir, Robert, wie bist du uns auf die Schliche gekommen? Der Revolver allein genügt nicht.«
    Der Sektionsrat lachte auf.
    »Es waren Kleinigkeiten«, erklärte er. »Aber alle zusammen ergaben ein Bild. Zum einen hat auch deine Eitelkeit mitgespielt. Als ich dich am Freitag besucht habe, trugst du eine billige Waterbury-Uhr. Und jetzt?« Er deutete auf ihr Handgelenk. »Sieh dich an. Eine edle Breguet ist es, die so gar nicht zu deiner finanziellen Lage passt. Außerdem habt ihr euch bei eurem Alibi verplappert, das ihr wohl erst im Nachhinein aufeinander abgestimmt habt. Dann ist da noch das Doppelexemplar, das nicht von Wilhelm, sondern von Stephan Schrader in der Druckerei in Auftrag gegeben worden ist. Zu guter Letzt ist mir heute aufgefallen, wie Schrader aller Welt seinen Reichtum erklärt.«
    »Du bist schlauer, als ich gedacht habe«, meinte Lina grimmig.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher