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Sine Culpa

Titel: Sine Culpa
Autoren: Elizabeth Corley
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Schreibtisch bekäme.
    Beim Gedanken an die Zentrale verzog er angewidert den Mund. Das Gerede und der infantile Humor im Teamraum reizten ihn trotz seiner besten Vorsätze bis zum Wahnsinn. Ständig war irgendein Geplänkel im Gange, gewürzt mit derben Witzchen, die er nicht mal ansatzweise komisch fand. Während er jetzt zu dem ausgetrockneten Bach ging, der sich durchs Unterholz schlängelte, nahm er sich vor, die Sache entspannter anzugehen. Die lockere Arbeitsatmosphäre hatte er schließlich selbst geschaffen, weil man ihm nahegelegt hatte, sich einen etwas »persönlicheren Führungsstil« anzueignen. Aber das Experiment funktionierte nicht. Er konnte nun mal nicht so tun, als wäre er jemand anderer, selbst wenn es seiner Karriere genützt hätte. Er gehörte einfach nicht dazu, das hatte er nie, hatte es nie gewollt und würde es auch nie.
    »Sir!«
    Einer von der Spurensicherung hatte sich aufgerichtet und winkte ihm. Fenwick rannte den Hang hinauf, ohne auf den stechenden Schmerz in seinem Knie zu achten, und stellte befriedigt fest, dass er oben angekommen kein bisschen außer Atem war. Das regelmäßige Joggen zahlte sich offenbar doch aus, so öde er es auch fand.
    »Was haben Sie gefunden?«
    »Einen Schlüssel. In der ausgehobenen Erde vom Grab. Da hängt so ein kleines Schildchen dran.«
    Fenwick starrte angestrengt darauf, aber natürlich gab das verrostete Stück Metall nichts preis. Es würde Tage dauern, bis sie herausgefunden hatten, woraus der Schlüssel bestand, um dann eine Liste der Hersteller zusammenzutragen. Aber die Entdeckung freute ihn; sie rechtfertigte seine Entscheidung, das Grab und die unmittelbare Umgebung gründlich unter die Lupe nehmen zu lassen.
    »Sehr gut«, sagte er, und seine Stimmung hob sich.
    Er hatte großes Vertrauen in das kriminaltechnische Labor von Sussex, und er hoffte, dass der Schlüssel bedeutsame Hinweise liefern würde. Die Fortschritte in der Kriminaltechnik faszinierten ihn; sie entsprachen seiner eigenen Grundauffassung als Polizist, dem Glauben nämlich, dass detaillierte und exakte Ermittlungen im Laufe der Zeit zum Erfolg führten. Aber er musste zugeben, dass ihn die meisten anderen Aspekte der modernen Polizeiarbeit langweilten. Die Fixierung auf die neusten Managementtheorien, die politischen Rücksichtnahmen auf kommunaler und landesweiter Ebene, die Erfordernis, zum Statistiker zu werden, nur um den unersättlichen Hunger auf Analysen zu stillen: Führte das alles zu einer einzigen Verurteilung mehr? Antworten im Postkartenformat, dachte er, nein, in Briefmarkengröße.
    Sein Problem war, dass er in den letzten dreizehn Jahren einfach übersehen hatte, was heutzutage erforderlich war, um auf der Karriereleiter nach oben zu klettern. Stattdessen hatte er sich schlicht auf seinen fast obsessiven Drang verlassen, Verbrechen aufzuklären. Abgesehen davon hatte er sich kaum Gedanken um sein berufliches Fortkommen gemacht. Seine Heirat, die zwei Kinder, die rasch nacheinander kamen, die Krankheit seiner Frau und ihr allmählicher Verfall hatten keinen Raum mehr für Ehrgeiz gelassen. Moniques Tod im Vorjahr dann war für sie und im Grunde auch für die Kinder eine Erlösung gewesen, weil sie nun endlich richtig trauern und anfangen konnten, ihren Verlust zu verarbeiten. Aber das Abschalten der Geräte, die sie am Leben erhielten, war das Härteste, was er je hatte tun müssen, und es hatte ihn schwerer belastet, als er selbst für möglich gehalten hätte.
    Zu Anfang war er einfach nur erschöpft gewesen. Dann hatte ihn die Jagd nach einem Serienmörder – ein besonders komplizierter und brutaler Fall – gänzlich in Anspruch genommen. Doch sobald der Täter verhaftet war, hatte ihn die Trauer, die er unbewusst auf Abstand gehalten hatte, übermannt, obwohl niemand es bemerkte, nicht mal diejenigen, die ihm am nächsten standen. Verzweiflung und Wut hätten ihn beinahe verschlungen, und wahrscheinlich wäre es auch dazu gekommen, wenn nicht die Kinder gewesen wären, die ihn jetzt ganz besonders brauchten. Er konnte sie nicht im Stich lassen. Über mehr als drei Monate hinweg, während der letzte Herbst in den Winter überging, hatte er sich in sich selbst zurückgezogen und den Anschein von Funktionsfähigkeit gewahrt, indem er zwischen den beiden Extremen der hingebungsvollen Beschäftigung mit den Kindern und einem gnadenlosen Arbeitspensum hin und her schwankte.
    Keiner konnte sagen, wie lange er wohl in diesem halbvegetativen Zustand geblieben
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