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Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Sobo Swobodnik
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Grenzgebäude verbannt. Vermutlich zum Nachhilfeunterricht. Schreibe hundertmal: Ein totes Reh ist ein totes Reh ist ein totes Reh . Und sonst nichts! Die Niederlage war dem Grenzer anzusehen, quasi ins Gesicht geschrieben wie Urs’ Strafarbeit. Er hatte jetzt Ähnlichkeiten mit dem Tier im Kofferraum. Auf dem Weg zurück in die Baracke sah es so aus, als hinke nicht Urs, sondern der Grenzbube.
    »Brauchen Sie Hilfe?«, rief Vinzi ihm scheinheilig hinterher und drückte seine Zigarette aus.
    »Was?«
    »Sie sehen ganz blass aus.«
    Denkste. Im Nu wurde der Grenzbeamte ganz rot, als wäre das Gesicht ein einziger eitriger Pickel. Man sah ihm deutlich an, dass er sich nichts lieber wünschte, als dass die beiden mit ihrem verdammten toten Reh im Kofferraum endlich verschwinden würden. Obgleich er nun vermutlich noch fester davon überzeugt war, dass mit den dreien irgendetwas nicht stimmte. Nur was, das leuchtete ihm noch immer nicht ein.
    Nachdem er, unterstützt von zwei weiteren Grenzbeamten, kaum älter als der Jungspund, den Wagen einer Durchsuchung unterzogen und dabei auch unter dem Fahrzeug, in den Sitzpolstern und hinter der Armatur nachgesehen hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als Plotek, Vinzi und das tote Reh die Grenze passieren und weiterfahren zu lassen.
    »Gute Reise!«, quetschte der junge Grenzbeamte mehr widerwillig als überzeugend aus sich heraus, als wünschte er dem Oldtimer den nächsten Baum an den Kotflügel.
    Aber denkste. Plotek wollte den Wagen starten – keine Chance. Der Mercedes sprang nicht an. Der Anlasser orgelte, der Motor ebenso. Nichts. Der Mercedes rührte sich nicht von der Stelle. Zuerst konnten sich die Grenzbeamten ein hinterhältiges Schmunzeln nicht verkneifen, als dächten sie, das ist die Strafe. Wofür auch immer. Die Schadenfreude sollte ihnen aber schnell wieder vergehen.
    »Wäre es vielleicht möglich, dass Sie …«, fragte Vinzi am heruntergekurbelten Seitenfenster vorbei die verblüfften Grenzbuben.
    Schieb doch selber, schienen die drei unisono zu denken. In Anbetracht von Vinzis amputierten Beinen war das aber kaum möglich. Blieb den Grenzern also nichts anderes übrig, um die beiden endlich loszuwerden, als schließlich doch noch Hand anzulegen. Jetzt war die Schadenfreude bei Vinzi und Plotek wieder zurück.
    Die Grenzbeamten schoben den Mercedes, während Pl otek am Steuer saß, mit dem bereits eingelegten zweiten Gang und dem Fuß auf der Kupplung ruhend.
    »Noch nicht«, befahl Vinzi. »Die sollen noch ein wenig leiden!«
    Das taten sie auch. Als der Wagen schon eine ordentliche Geschwindigkeit erreicht hatte, ließ Plotek dann doch die Kupplung schnalzen, der Motor sprang an, und der Wagen fuhr eigenständig weiter. Die Grenzbeamten blieben erschöpft und mit heraushängenden Zungen zurück. Im Rückspiegel wurden die ihnen noch lange nachblickenden Männer immer kleiner.
    »Und? Wo hast du ihn dieses Mal versteckt?« Plotek fragte es, als die Grenze im Rückspiegel nicht mehr zu sehen war.
    »Wen?«
    »Den Afghanen«, sagte Plotek. »Das schwäbische Gras, Dope, Marihuana …«
    »Rate mal …«
    Plotek hob die Schultern.
    Jetzt muss man wissen, dass Vinzi allen legalen und auch illegalen Drogen gegenüber sehr aufgeschlossen ist. Vor allem für Marihuana hatte er eine gewisse Leidenschaft. Ganz besonders hatte es ihm das selbst angebaute Gras im schwäbischen Vorgarten angetan. Das rauchte Vinzi nicht nur, das verdealte er auch ab und zu, um seine mickrige Behindertenrente ein wenig aufzubessern und seine prekäre Lebenssituation weniger unerfreulich wahrzunehmen.
    »Und?«, fragte Vinzi ungeduldig, als Plotek ihm noch immer keinen Tipp gab.
    »Da kommst du nie drauf.« Mit so einer Prophezeiung braucht man es gar nicht erst zu versuchen. Ließ es Plotek eben und hob erneut die Schultern.
    »Reh!«, sagte Vinzi, wie man »rektal« sagt, und lachte übers ganze Gesicht.
    »Was?« Ungläubiger bis erschrockener Blick von Plotek.
    »Ja, ich hab das Gras im Reh versteckt.« Vinzi klang nun wie ein pubertierender Pennäler, der dem verhassten Mathematiklehrer in der Pause eine tote Ratte in die Aktentasche geschmuggelt hat.
    »Nein!«
    »Doch.«
    »Und wo genau?«, fragte Plotek und wusste, viele Möglichkeiten gab es da nicht. Eigentlich nur zwei.
    »Im Maul!« Vinzi hatte sich offensichtlich für die hygienischere entschieden.
    »Lag der Hund vielleicht doch nicht so falsch, als er …«
    »Klar.«
    Jetzt mussten beide lachen, so laut, so
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