Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition)
Autoren: Robert Jackson Bennett
Vom Netzwerk:
auf der Straße zu rauchen, hielt er inne.
    »Ich hätte nicht so früh herkommen sollen«, sagte ein Mann. »Ich meine, ich bin nur wegen Silenus’ Nummern hier. An diesem Kleiner-Lord-Fauntleroy-Stück habe ich kein Interesse. Das ist nur Gefühlsduselei.«
    »Ach, nun kommen Sie«, meinte sein Freund. »Der Junge hat sich bemüht, und er war gar nicht so schlecht. Eine Dame hat sogar geweint.«
    »Das war Maudie Gray«, sagte die Frau, die bei ihnen stand. »Sie weint bei allem, besonders, wenn kleine Jungs beteiligt sind. Als East Lynne aufgeführt wurde, war sie in jeder Vorstellung und hat sich die Augen ausgeheult.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte der erste Mann. »Trotzdem, ich hätte erst nach der Hälfte der Abendvorstellung herkommen sollen. Ich bin wirklich nur neugierig, worum es bei all dem Gerede eigentlich geht.«
    »Oder worum nicht«, sagte der Zweite. »Weiß irgendjemand, was dieser Silenus wirklich vorführen wird?«
    »Oder warum seine Vorstellung so spät beginnt?«, fragte die Frau.
    »Ist es spät?«, gab der erste Mann zurück. »Ich glaube, es fühlt sich nur so an.« Er blickte zum Himmel hinauf, als würde mit dem Mond irgendetwas nicht stimmen. Dann schauderte er und verfiel in Schweigen.
    »Es ist gerade Pause«, sagte George leise und warf einen erneuten Blick auf das Programm. »Es ist nur die Pause! Ich habe ihn nicht verpasst!« Dann stopfte er das Programm in die Tasche, schnappte sich seinen Koffer und stürmte hinein.
    Die Garderobenfrau wollte ihm seinen Koffer nicht abnehmen, doch nach einer kurzen Verhandlung mit dem Platzanweiser erhielt er die Erlaubnis, ihn mit hineinzunehmen, vorausgesetzt, er setzte sich weit nach hinten. George stellte fest, dass das Pantheon ein sehr viel schöneres Theater war als jenes, das er gewohnt war: Es gab leuchtend rote Samtvorhänge (die er erheblich geschmackvoller fand als die schäbigen grünen Vorhänge im Otterman’s), das Rampenlicht entströmte goldenen Leuchten mit einem kunstvoll gezahnten Rand, und die Mitte der Bühne lag in dem makellos weißen Licht einer einzelnen Lampe. Bei dem Anblick befiel George ein unvernünftiges Gefühl des Neids; auch wenn er alle Bande zu Otterman’s gelöst hatte, war es bitter für ihn zu sehen, dass das Pantheon über Leuchten verfügte, die an seinem alten Arbeitsplatz nicht vorhanden waren.
    Die Leute kamen zurück und füllten die Sitzplätze um ihn herum; ihm war, als würden Stunden vergehen. Und George stellte fest, dass er nicht allein damit war. Etliche andere Gäste sahen auf ihre Uhren, und eine Dame in seiner Nähe sagte: »Ich hoffe, es fängt bald an. Ich dachte schon, ich wäre spät dran.«
    »Wirklich?«, fragte ihre Freundin.
    »Ja. Als ich das Haus verlassen habe, war ich überzeugt, ich sei sehr spät dran.«
    »Wie merkwürdig. Wissen Sie, ich glaube, mir ist es beinahe genauso ergangen. Ich habe noch nie einen Abend erlebt, der so langsam verläuft wie dieser. Aber ich nehme an, wenn die Vorstellung wieder beginnt, wird uns alles viel schneller vorkommen. Lange dürfte es nicht mehr dauern.«
    George hoffte es. Sein Magen fühlte sich ganz taub an, und es kam ihm vor, als könne er die Augen nicht weit genug öffnen. Er wusste, dass es nicht klug war, all seine Hoffnungen an diesem Mann festzumachen, und doch hatte er genau das getan. Er hoffte, das Silenus ihn von all diesen kleinen Dorftheatern fortbringen und ihn in den gehobeneren Aspekten der Bühnenkunst unterweisen würde; er hoffte, sein Vater würde den neu entdeckten Sohn mit offenen Armen empfangen und glücklich über das Zusammentreffen sein; und zuletzt und am verzweifeltsten hoffte George, dass Silenus ein so bemerkenswerter und wundervoller Mann war, dass seine Bekanntschaft den Verlust von Georges Mutter irgendwie würde wettmachen können. Sie war bei seiner Geburt gestorben, und da niemand die Identität seines Vaters gekannt hatte, war George von seiner Großmutter aufgezogen worden. Der solchermaßen ausgelöste Skandal hatte ihrem Familiennamen schweren Schaden zugefügt, und George, der Bastard, wurde zu einem Ausgestoßenen der Gesellschaft von Rinton. Vielleicht, so hoffte er, würden sich all die unglücklichen Jahre durch Silenus am Ende doch lohnen.
    Nun konnte es nicht mehr lange dauern. George streckte sich, um den Orchestergraben im Auge zu behalten und zu sehen, wann sich die Musiker zum Spielen bereit machten. Dann würde die Vorstellung beginnen.
    Nach einer Weile wurde das Licht im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher