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Silbermantel

Titel: Silbermantel
Autoren: Guy Gavriel Kay
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den Übergang vollbracht. Und genauso werde ich, wenn ihr mitkommt, die Rückkehr vollbringen.«
    »Das ist doch Unsinn!« explodierte Martyniuk erneut. Dieses Mal weigerte er sich, Jennifer anzusehen. »Magie. Übergänge. Weisen Sie mir gefälligst irgendwas vor! Reden kann jeder, und ich glaube Ihnen kein Wort.«
    Loren warf Dave einen frostigen Blick zu. Kim verschlug es den Atem, als sie ihn bemerkte. Aber dann wurde aus dem strengen Gesichtsausdruck ein unvermitteltes Lächeln. Die Augen blitzten unvorstellbar. »Du hast recht«, zeigte er sich einverstanden. »So ist es gewiss am einfachsten. Seht also her.«
    Beinahe zehn Sekunden lang herrschte im Raum völlige Stille. Aus den Augenwinkeln sah Kevin, dass auch der Zwerg vollkommen reglos verharrte. Was daraus wohl wird, dachte er.
    Sie erblickten ein Schloss.
    An der Stelle, wo soeben noch Dave Martyniuk gestanden hatte, erhoben sich Zinnen und Türme, erschien ein Garten, ein zentral gelegener Burghof, ein offenes Geviert vor den Mauern, und auf der höchsten Wehr flatterte ein Banner im nicht existenten Wind. Und auf dem Banner konnte Kevin eine Mondsichel über einem ausladenden Baum erkennen.
    »Paras Derval«, erklärte Loren leise und blickte beinahe wehmütig auf sein Werk, »in Brennin, dem Großkönigtum Fionavars. Achtet einmal auf die Fahnen am großen Platz vor dem Palast. Sie sind dort um der bevorstehenden Festlichkeiten willen aufgezogen, denn am achten Tag nach dem Vollmond dieses Monats geht das fünfte Jahrzehnt der Herrschaft Ailells zu Ende.«
    »Und wir?« Kimberlys Stimme war brüchig wie Pergament.
    »Was haben wir dabei für eine Funktion?«
    Ein schiefes Lächeln ließ die Konturen von Lorens Gesicht weicher erscheinen. »Keine heldenhafte, fürchte ich, auch wenn ich guter Hoffnung bin, dass sie euch Vergnügen bereiten wird. Für die Feierlichkeiten werden große Anstrengungen unternommen. Es hat in Brennin eine lang anhaltende Frühjahrsdürre gegeben, und man hielt es für angebracht, dem Volk einen Grund zum Jubeln zu geben. Das ist nur vernünftig, möchte ich behaupten. Jedenfalls hat Metran, Erster Magier des Ailell, beschlossen, als Geschenk des Rates der Magier an ihn und das Volk fünf Menschen aus einer anderen Welt herüberzuholen – einen für jedes Herrschaftsjahrzehnt –, um gemeinsam mit uns die vierzehntägigen Feierlichkeiten zu begehen.«
    Kevin Laine lachte laut heraus. »Wie die Rothäute am Hof des englischen Königs James?«
    Mit einer fast beiläufigen Geste löste Loren die Erscheinung in der Mitte des Raums auf. »Ich fürchte, da ist etwas Wahres dran. Metrans Vorstellungen … er ist der Erste im Rat, aber ich darf anmerken, dass ich nicht immer seiner Meinung bin.«
    »Sie sind hier«, sagte Paul. »Ich hatte ohnehin vor, einen weiteren Übergang zu unternehmen«, erwiderte Loren rasch. »Es ist lange her, seit ich das letzte Mal als Lorenzo Marcus in eurer Welt weilte.«
    »Verstehe ich Sie richtig?« fragte Kim. »Sie wollen, dass wir, auf welchem Weg auch immer, mit in Ihre Welt kommen, und danach bringen Sie uns wieder zurück?«
    »Im großen und ganzen ja. Ihr werdet etwa zwei Wochen bei uns bleiben, aber wenn wir zurückkehren, werde ich euch so in diesem Zimmer absetzen, dass seit unserer Abreise nur wenige Stunden vergangen sind.«
    »Also«, witzelte Kevin mit einem hinterhältigen Grinsen, »das müsste dich nun doch überzeugen, Martyniuk. Stell dir vor, Dave, zwei zusätzliche Wochen, um für die Klausur in Beweisführung zu büffeln!«
    Dave lief hochrot an, als sich die Anspannung im Raum in Gelächter auflöste.
    »Ich bin dabei, Loren Silbermantel«, entschloss sich Kevin Laine, als sie sich wieder beruhigt hatten. Und wurde so der erste. Er brachte ein Grinsen zustande. »Ich wollte schon immer mal mit Kriegsbemalung bei Hofe erscheinen. Wann heben wir ab?«
    Loren blickte ihn unverwandt an. »Morgen. Am frühen Abend, wenn wir zum rechten Zeitpunkt eintreffen wollen. Ich verlange nicht von euch, dass ihr euch gleich entscheidet. Denkt den Rest des Abends und morgen darüber nach. Wenn ihr mit mir kommen wollt, dann findet euch am späten Nachmittag wieder hier ein.«
    »Wie steht es mit Ihnen? Was ist, wenn wir nicht mitkommen?« Auf Kims Stirn zeigte sich jene senkrechte Falte, die immer dann erschien, wenn sie unter Stress stand.
    Die Frage schien Loren aus der Fassung zu bringen. »Wenn das eintritt, habe ich versagt. Das ist schon vorgekommen. Mach dir keine Sorgen um mich …
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