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Silbermantel

Titel: Silbermantel
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Freund. Ja, ich glaube, das würde ihm tatsächlich Freude machen.« Kevin sah Paul Schafer an.
    »Eine Verschwörung«, flüsterte Jennifer. »Hecken Sie uns eine Verschwörung aus, meine Herren!«
    »Nichts einfacher als das«, erklärte Kevin nach kurzem Nachdenken. »Ab sofort ist Kim seine Nichte. Er hat den Wunsch, sich mit ihr zu treffen. Die Familie hat natürlich Vorrang vor gesellschaftlichen Verpflichtungen.« Er wartete auf Pauls Zustimmung. »Gut«, stellte Matt Sören zufrieden fest. »Und sehr einfach. Würden Sie dann bitte mit mir kommen, Ihren … äh … Onkel abzuholen?«
    »Na klar!« lachte Kim. »Ich habe ihn seit Urzeiten nicht mehr gesehen.« Gemeinsam mit dem Zwerg begab sie sich zu der Menschenansammlung am anderen Ende des Saals, die Lorenzo Marcus umgab.
    »Also«, sagte Dave, »dann werde ich mich mal auf den Weg machen.«
    »Ach, Martyniuk«, explodierte Kevin, »sei doch kein Spielverderber! Dieser Kerl ist weltberühmt. Er ist eine Legende. Du kannst doch morgen an deiner Beweisführung weiterstudieren. Hör mal, komm doch am Nachmittag in mein Büro, dann grabe ich für dich meine alten Examensvorbereitungen aus.«
    Dave erstarrte. Kevin Laine hatte, wie er nur zu gut wusste, zwei Jahre zuvor den Preis für die beste Arbeit über Beweisführung gewonnen, zusammen mit einer ganzen Latte anderer Auszeichnungen.
    Jennifer, die ihn zögern sah, empfand eine Anwandlung von Sympathie. Dieser Junge hat viel zu schlucken, dachte sie, und Kevins Art ist da auch nicht gerade hilfreich. Manchen Leuten fiel es einfach schwer, hinter die aufschneiderische Fassade zu blicken und zu entdecken, was dahinter lag. Und gegen ihren Willen, denn Jennifer hatte ihre eigenen Verdrängungsmechanismen, ertappte sie sich bei dem Gedanken, was mit ihm geschah, wenn sie sich liebten.
    »Heh, Leute! Ich möchte euch jemanden vorstellen.« Kims Stimme unterbrach diesen Gedankengang. Sie hatte sich besitzergreifend bei dem hochgewachsenen Mann eingehakt, der wohlwollend auf sie herabstrahlte. »Dies ist mein Onkel Lorenzo. Onkel, meine Zimmergenossin Jennifer, Kevin und Paul, und dies ist Dave.«
    Marcus’ dunkle Augen blitzten. »Es ist mir«, sagte er, »eine größere Freude, euch kennen zu lernen, als ihr es euch vorstellen könnt. Ihr habt mich vor einem außerordentlich langweiligen Abend bewahrt. Würdet ihr wohl auf einen Drink in unser Hotel mitkommen? Wir wohnen im Park Plaza, Matt und ich.«
    »Mit Vergnügen, Sir«, dankte Kevin. Er machte eine winzige Pause. »Und wir werden uns alle Mühe geben, Sie nicht zu langweilen.« Marcus hob eine Augenbraue.
    Zutiefst enttäuscht beobachtete sie eine Schar von Gelehrten, als die sieben gemeinsam aus dem Saal in die kühle, wolkenlose Nacht hinaustraten.
    Und noch ein Augenpaar war auf sie gerichtet, aus dem tiefen Schatten unter den Säulen am Eingang des Auditorium Maximum. Augen, die das Licht reflektierten, Augen ohne Lidschlag.
     
    Es war ein kurzer und angenehmer Spaziergang. Über die weite Rasenfläche im Zentrum des Geländes, dann den als Philosophenweg bekannten, dunklen gewundenen Pfad entlang, der sich zwischen sanft abfallenden Hügeln hinter der juristischen Fakultät dahinschlängelte, dann vorbei an der Musikfakultät und am massiven Bau des Royal Ontario Museum, wo die Dinosaurierknochen ihr uraltes Schweigen bewahrten. Eben diesen Weg hatte Paul Schafer seit fast einem Jahr nach Möglichkeit gemieden.
    Er verlangsamte ein wenig seine Schritte, um sich von den anderen abzusetzen. Vor ihm im Dunkeln spannen Kevin, Kim und Marcus ein barockes Phantasiegebilde unglaublicher Verknüpfungen zwischen den Familien Ford und Marcus, unter Zugabe einiger entfernter russischer Verwandter von Kevin durch Einheirat. Jennifer, die sich an Marcus’ linker Seite eingehakt hatte, ermunterte ihn mit ihrem Lachen, während Dave Martyniuk schweigend auf dem Gras neben dem Pfad dahinmarschierte und ein wenig deplaziert wirkte. Matt Sören hatte in wortloser Geselligkeit ebenfalls seine Schritte verlangsamt, um neben Paul herzugehen. Schafer jedoch war mit sich selbst beschäftigt und bemerkte bald, dass die Unterhaltung und das Gelächter vor ihm in den Hintergrund rückten. Dieses Gefühl war ihm in letzter Zeit geläufig, und nach einer Weile war ihm, als gehe er allein dahin.
    Was möglicherweise dazu führte, dass er auf halbem Wege etwas wahrnahm, das den anderen entging. Unvermittelt wurde er aus seinen Gedanken gerissen, und während der nächsten
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