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Silberglocken

Silberglocken

Titel: Silberglocken
Autoren: Debbie Macomber
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seiner Frau dem Alltag trotzte, grub er sich sein eigenes Grab und wollte nichts sehen und hören, wenn das Leben ihn herausforderte oder ihm etwas schenken wollte.
    Und Gene schien der Ansicht zu sein, dass Carrie so ein Geschenk war: eine Frau, die Mackenzie nicht nur nett fand, sondern geradezu anbetete. Andere Männer hätten ihrem Schicksal gedankt, und statt das auch zu tun, hatte er seine Tochter vor den Kopf gestoßen, nur weil sie versucht hatte, ihn mit Carrie zusammenzubringen.
    Carrie.
    Jedes Mal, wenn er ihren Namen nur dachte, fing sein Puls an zu rasen, und ihm wurde heiß. Dabei kannte er sie kaum. Aber seine Tochter verbrachte viel Zeit mit ihr. Eine vierundzwanzigjährige Frau war ihr mehr Mutter, als ihre eigene Mutter es je gewesen war.
    Philip rollte seinen Stuhl vom Schreibtisch, stand auf und trat ans Fenster. Vom zwanzigsten Stock des Bürohochhauses war der Blick auf Seattle und den Puget Sound spektakulär, geradezu atemberaubend. Das Ufer und der Anlegeplatz der Fähre, der Pike Place Market pulsierten vor Leben. Philip konnte nicht sagen, wie oft er schon hier gestanden und hinuntergeschaut und nichts dabei empfunden hatte.
    Er ging zu seinem Schreibtisch zurück und schaltete den Computer aus. Es verwirrte ihn, dass seine dreizehnjährige Tochter ihm Ratschläge gab und auch noch Recht hatte damit. In den beiden letzten Jahren hatte er sich regelrecht in seiner Arbeit vergraben und darüber das Leben vergessen. Statt mit seiner Vergangenheit Frieden zu schließen und wieder in die Zukunft zu schauen, hatte er vor allem seine Ängste genährt und in Selbstmitleid geschwelgt. Er hatte zu jung, zu unüberlegt geheiratet, und das hatte Spuren hinterlassen.
    Philip verließ sein Büro, schloss ab und fuhr heim. Er stellte den Wagen in der Tiefgarage ab, und als er über die Straße zum Haus ging, sah er Carrie. Sie wirkte frisch und lebendig, voller Lebensfreude. Manchmal fragte er sich, worüber sie wohl so glücklich war. Auf einmal fasste er den Entschluss, an diesem Glück teilzuhaben.
    “Carrie?” Er lief hinter ihr her, noch ganz unsicher, wie er sie ansprechen sollte.
    Carrie blieb auf den Stufen zur Eingangstür stehen und drehte sich um. Ihr Gesichtsausdruck änderte sich, als sie ihn entdeckte. Er hatte den Eindruck, dass sie auf der Hut war. “Ich hatte keine Ahnung, dass Mackenzie uns beide zum Essen eingeladen hatte”, sagte sie. “Das müssen Sie mir glauben.”
    “Ja, ich weiß”, antwortete er. Es tat ihm ja bereits Leid, wie er reagiert hatte.
    “Im Ernst?”
    Jedes Mal, wenn er sie sah, traf es ihn wie ein Schock, wie schön sie war. Aus ihren klaren blauen Augen sah sie ihn offen an.
    “Ich dachte, vielleicht … Ich weiß, es kommt ein bisschen plötzlich, und sicher haben Sie auch schon etwas anderes vor, aber …” Er unterbrach sich. Dieses Gestottere würde ihn nicht sehr weit bringen. “Würden Sie mich zum Einkaufen begleiten?” fragte er. Wenn er sie zum Essen oder ins Kino einlud, lehnte sie vielleicht ab, und er konnte es ihr nicht einmal übel nehmen. “Für Mackenzie”, fügte er als Anreiz hinzu. “Ich habe noch kaum Weihnachtsgeschenke für sie und könnte ein paar Anregungen brauchen. Sie haben bestimmt bessere Ideen als ich.”
    Er hatte sie offenbar überrascht, denn eine Weile sagte sie gar nichts. “Wann?” wollte sie dann wissen.
    “Würde es Ihnen gleich passen?” fragte Philip hoffnungsvoll. Gene hatte Recht. Es war natürlich verrückt, ausgerechnet heute, im größten Trubel, einkaufen zu gehen. Er konnte es ihr nicht übel nehmen, wenn sie ablehnte.
    “Gleich”, wiederholte sie, dann lächelte sie, und sein Herz schlug schneller. “Ja. Gern.”
    ‚Gern.’ Es war unglaublich, welche Glücksgefühle so ein kleines Wort auslösen konnte. Stünden sie auf der Bühne, er würde jetzt ein Lied schmettern. Am liebsten hätte er auch jetzt und hier gesungen.
    Carrie hüpfte die drei oder vier Stufen zu ihm herunter, und dieses Hüpfen sagte ihm, dass sie das Leben schön fand und dass sie gern mit ihm zusammen war.
    Philip nahm ihren Arm und führte sie zum Auto.
    Das Leben war gut zu ihm. Es war lange her, dass er davon überzeugt gewesen war.

8. KAPITEL
    V or ein paar Stunden noch hatte Carrie ihrer Mutter erzählt, dass sie Philip Lark kaum kannte, und jetzt hatte sie das Gefühl, als gäbe es praktisch keinen Mann, der ihr vertrauter war als er. Sie saßen in einem italienischen Restaurant, umgeben von Päckchen und Tüten, und
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