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Silberfieber

Silberfieber

Titel: Silberfieber
Autoren: Peter Wuehrmann
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zu den Hartgesottensten, und beim Anblick einer Wasserleiche mit aufgedunsenem Gesicht wäre er sicherlich zurückgeschreckt.
    »Ein Mann, ziemlich jung, anscheinend ertrunken, war aber nicht sehr lange im Wasser«, sagte Bill. Frederic Ross ging in die Hocke. Das Gesicht war unscheinbar, bartlos und glatt, wie reingewaschen vom Seewasser. Selbst den Augen des Jungen schien der Atlantik seine graubraune Farbe aufgezwungen zu haben. Und es war ein fremdes Gesicht, niemand aus der Gegend, stellte Ross erleichtert fest. Das ersparte ihm unangenehme Besuche und bedrückende Stunden mit Bekannten. Sie untersuchten die Taschen seiner Kleidung nach Papieren oder Hinweisen auf seine Identität, fanden aber nichts. Jemand musste sie geleert haben. Niemand an der Küste trug eine Leinenhose mit vier großen aufgesetzten Außentaschen, wenn er nicht etwas darin aufzubewahren hatte. Nur oben links auf der dunkelblauen Daunenweste des Toten prangte ein Kreis mit dem Schriftzug: Ozeanographie Institute Quebec.
    »Weißt du von irgendwelchen Forschungen hier in der Gegend?«, fragte Bill.
    »Keine Ahnung, bei mir hat sich niemand gemeldet. Aus Quebec waren mal Leute da, aber das ist schon über ein Jahr her.«
    Als sie die Leiche wieder auf den Bauch drehten, stutzte Ross. Er hob den Toten vorsichtig an den Schultern hoch.
    »Bill, du musst genauer hinsehen, der Mann ist nicht ertrunken, er wurde erschlagen.«
    Er hob den Oberkörper noch weiter an, und der Kopf knickte nach vorne, sodass ein Schwall Wasser aus den Haaren auf den Sandstrand tropfte. Am Hinterkopf war ein klaffender Riss sichtbar. Behutsam ließ Fred den Körper wieder zu Boden gleiten und richtete sich auf.
    Er blickte zum Anleger hinüber, von wo aus sie die rosa Flamingos durch ihre Ferngläser gesichtet hatten. Er verfolgte den hölzernen Steg bis zum Ende und richtete seine Augen dann auf die lang gestreckte, gleichmäßig abfallende Sandkante dahinter. Die gesamte Landzunge von Cruden Bay war ein heller Schimmer, der sich nach und nach in einen kaum mehr sichtbaren, dünnen Strich zwischen Himmel und Meer verwandelte, je weiter er sich in Richtung Ozean davonmachte.
    Frederic Ross kannte die Gegend von klein auf und wusste, dass sich in sechs Stunden die Uferkante sehr viel deutlicher vor dem Horizont abzeichnen würde. Nach dem Ablaufen des Wassers konnte man bei Ebbe auch von hier aus die Verbindung zu der kleinen Insel erkennen, die als isolierter, weit entfernter Steinhaufen den Ausblick auf den Atlantik versperrte. Wavy Island.
    Captain Ross schüttelte missbilligend den Kopf. Nach dem nahezu unversehrten Zustand des Leichnams und der Richtung und Geschwindigkeit der Strömung zu urteilen, musste er von dort herübergetrieben worden sein.
    Nein, von Wavy Island war noch nie etwas Gutes gekommen.

1
    Das Klingeln an der Wohnungstür überraschte Frank. Katja konnte es nicht sein, mit ihr hatte er sich erst für später am Abend verabredet.
    Er ließ die Arbeitspapiere für seine Diplomarbeit auf dem Fußboden liegen und öffnete arglos die Tür. Seine Hand lag noch auf der Klinke, als sich schon ein schwarzer Lederhandschuh um sein Handgelenk schloss. Bevor er reagieren konnte, wurde ihm der Arm auf den Rücken gedreht, und ihm entfuhr ein Schmerzensschrei, als sein Körper herumgewirbelt wurde. Sein Oberkörper knickte nach vorn, während ein kalter, harter Gegenstand gegen seine Stirn drückte.
    »Keinen Ton«, zischte der Eindringling auf Englisch, während Frank hörte, wie die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte Frank ebenfalls auf Englisch und drehte den Kopf so weit wie möglich zur Seite. Er wollte seinen Gegner sehen. Doch der Druck auf seinen Arm erhöhte sich nur.
    »Erst mal die Klappe halten.«
    Der Unbekannte, der sein Gesicht hinter einer schwarzen Motorrad-Stoffmaske verbarg, war mindestens genauso groß wie Frank, was bemerkenswert war. Immerhin spielte Frank im Basketball-Auswahlteam der Hamburger Universität.
    Als der Druck auf seinen verrenkten Arm nicht nachließ, dachte er daran, sich zu wehren, ließ es dann aber sein. Er hatte Respekt vor dem unbekannten kalten Gegenstand, den ihm der Fremde gegen die Stirn presste.
    »Da rüber«, kommandierte der Maskenmann und zerrte Frank durch den kleinen Flur in sein Arbeitszimmer. Er bewegte Franks verdrehten Arm nur leicht nach oben und dirigierte ihn damit in jede gewünschte Richtung. Frank gehorchte mit zusammengepressten Zähnen.
    Er stolperte
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