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Sigi Wulle 3 - Sigi Wulle und der Einbrecher

Sigi Wulle 3 - Sigi Wulle und der Einbrecher

Titel: Sigi Wulle 3 - Sigi Wulle und der Einbrecher
Autoren: Heinrich Kraus
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zum Fenster hinaus, um mein Gesicht zu verbergen, denn ich wollte nicht auch geschnappt werden, zumal ich fast unschuldig war.
    Strups krabbelte auf meinen Beinen herum und knurrte vergnügt, weil es auch einem Meerschweinchen gefällt, wenn es warm und
    behaglich ist. Welche Ausrede sollte ich mir bloß für Patin Berta ausdenken? Vielleicht war es am besten, überlegte ich, ihr gleich die Wahrheit zu sagen, weil es eine lustige Wahrheit war und sie Humor besitzt.
    Die Frau hinter mir plapperte immerzu davon, daß das Geld nun bald reiche, um sich irgendwo niederzulassen. Daß es in Spanien sehr schön sei und billig zu leben, aber auch in Tunesien oder in Italien, wo es vielleicht kultureller zugehe wegen der vielen Ruinen, die die Römer hinterlassen hätten. Der Mann brummte nur manchmal dazwischen, wie es Männer tun, wenn sie nicht zuhören. Frauen können sich darüber unheimlich aufregen, weil sie meinen, daß alles, was sie sagen, sehr wichtig sei.
    „Wie lange wirst du bleiben?“ fragte sie leise.
    „Je nachdem“, antwortete er.
    „Was heißt das?“
    „Je nachdem, ob es klappt, nich !“
    „Paß nur auf!“
    „Hat es bisher etwa nicht hingehauen?“ flüsterte der Mann. „Meine Methode ist perfekt, Emma, ausgedacht und ausgeklügelt. Das große Geschäft, nich ! Wär doch gelacht, wenn ich diesen Kanaken nicht auch...“
    „Psst!“ zischte sie.
    Ich war wie elektrisiert, denn diese Stimme war mir bekannt, in unangenehmer Erinnerung. Der Hausierer! Der Räuber! Der Verbrecher, der mich überwältigt und dann das Geld meiner Eltern geklaut hatte! Ich war so aufgeregt, daß ich zu schwitzen begann. Was sollte ich tun? Verdammt! So ein Zufall! Was sollte ich tun? Ich tat Strups in die Tasche. Dann setzte ich die Mütze auf, um mein rotes Haar zu verbergen. Den Schaffner rufen? Aber der würde mich auch für besoffen halten und vielleicht festnehmen. Ich zitterte vor Aufregung. Ruhe, dachte ich, Ruhe!
    „Du kommst also nach, sobald das Geschäft erledigt ist?“
    „Was sonst?“
    „Und dann, Charly?“
    „Dann werden wir uns eine Weile ins Ausland verziehen, denn ich möchte mal ausruhen. Das Geschäft steht mir bis zum Halse. Immer der gleiche Quark, nich !“
    Er war es! Er mußte es sein! Die gleiche Stimme: dunkel, manchmal ganz weich und andermal hart und knarrend, das Gelispel vor allem und das „ Nich “, das er seinen Sätzen anhängte! Ich schob einen Mantel beiseite, so daß ich durch einen Schlitz gucken konnte, ohne daß er mich sah. Aber da erlebte ich eine arge Enttäuschung. Er war es doch nicht, und ich freute mich nun, nicht den Schaffner gerufen zu haben, der mich sicher geschnappt und meine Geschichte für erfunden erklärt hätte. Sie klang ja auch wirklich sehr verworren, und außerdem hätte ich keine Beweise gehabt.
    Der Mann, der sich weiter mit der Frau unterhielt, die ich nur von hinten sehen konnte, war ziemlich jung, vielleicht dreißig Jahre alt. Er hatte keine grauen, sondern schwarze Haare, und von einem Bart gab es keine Spur. Die Haut war glatt und hell, und nicht faltig und gräulich. Ersaß gerade und war nach der neuen Mode gekleidet, vielleicht sogar ein bißchen übertrieben modern.

    Aber die Stimme! Und links oben im schmallippigen Mund glänzte ein Goldzahn, wenn er der Frau zulächelte! Außerdem stand das Kinn vor und die Ohren ab. Die lange Nase mit den großen Nasenlöchern, aus denen schwarze Haare wuchsen! Und der kürzere Finger! Und die Stimme! Ich war verrückt vor Aufregung. War er’s? War er’s nicht? Nein, er konnte es nicht sein. Der Mann war zu jung.
    „Schau, Charly!“
    „Was?“
    „Da ist schon die Stadt!“
    „Ach ja!“
    „Ein graues Nest!“
    „Macht nichts“, brummte er. „Geld gibt’s überall.“
    Er erhob sich, gähnte und blickte hinaus auf die Häuser, die vorbeizufliegen schienen, die rußigen, verqualmten Fabriken, das Gewirr von Straßen. Dann nahm er einen Mantel vom Haken, zog ihn über, hob einen Koffer und eine große Tasche vom Gepäcknetz und verabschiedete sich von der Frau, indem er ihr einen Kuß auf jede Backe gab. Langsam und mißmutig ging er zur Tür.
    Ich tat, als ob ich hinausstarrte. Doch ich wollte nur verhindern, daß er mich wiedererkannte, falls es sich um den Schurken von damals handeln sollte. Und als er an mir vorbeigelaufen war, zog auch ich den Mantel an, schnappte auch ich meine Tasche und huschte auch ich zur Tür, aber am anderen Ende des Waggons. Ich hatte nämlich die Absicht, der
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