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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
Autoren: Chris Harrison
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das beste Chicoree im ganzen Ort. Möchtest du was davon?«
    »Ich dachte, er stirbt.«
    » Stupido «, sagt sie kichernd, bevor sie nach ihrer Geldbörse greift und auf die Straße eilt.
    Nach mehreren Schnitzen Wassermelone führt mich Daniela auf ihre Dachterrasse mit einer atemberaubenden Aussicht auf Andrano. Die zur Mitte hin abfallende, in der Sonne gleißende terrazza verfügt über ein kniehohes Mäuerchen, damit mamma nicht herunterfällt, wenn sie hier die Wäsche aufhängt. Danielas Haus befindet sich mitten in der Altstadt, offiziell sogar auf dem Gelände einer Burg. Nach Süden hin kann ich das mittelalterliche castello erkennen, die Piazza und den campanile oder Glockenturm, auf dem zwei dunkle Glocken nebeneinanderhängen. In nördlicher Richtung sehe ich die bunt durcheinandergewürfelten Dächer schlichter Häuser. Im Osten erstrecken sich Olivenhaine bis zur Küste, ein Fischerboot tuckert aus dem Hafen, und das Mittelmeer glitzert bis hin zu den schwachen Umrissen der albanischen Berge in der Ferne. Landeinwärts liegt eine Hitzeglocke über der sonnenverbrannten Landschaft und dem wüstenartigen Küstenstreifen, wo die Wurzeln der Olivenbäume Felsen erdrosseln, um zu überleben. Verblichene Farben stehen in einem starken Kontrast zum intensiven Blau des Meeres. »Das ist Salento«, erklärt Daniela.
    Ich befinde mich auf Augenhöhe mit den Glocken, als sie Andrano laut verkünden, dass es halb zehn ist. Es muss ein Signal für die Frauen sein, in Schürzen auf ihre Terrassen zu treten und die Wäsche aufzuhängen. Graue Dächer explodieren plötzlich vor sommerlichen Farben, als Strandtücher und Badesachen an ihren Wäscheklammern baum eln. Ich lerne Danielas Nachbarn als Erstes über ihre Wäsche kennen. Die Frau von nebenan mag geblümte Nachthemden, ein Nachbar spielt Tennis, und ein im Wind flatternder BH zeigt an, dass zwei Türen weiter eine üppige Signora lebt, die Wert auf Bequemlichkeit legt. Eine ihrer riesigen Unterhosen hat Stoff für zehn Slips von der Sorte, wie sie an Danielas Wäscheleine baumeln.
    »Die sehen aus wie Bettlaken«, lästere ich. »Oder Segel. Erstaunlich, dass das Haus nicht davonweht.«
    » Criticone «, sagt Daniela, klopft mir tadelnd auf die Schulter und erzählt dann, wie ihr Vater den Unterschied zwischen den Unterhosen einer jungen und einer alten Frau zu erklären pflegte: Wer den Hintern einer alten Frau sehen will, muss ihr die Hose ausziehen. Aber wer den Po einer jungen Frau sehen will, muss die eigene Hose ausziehen. Ihre Anekdote erregt mein Interesse, allerdings nicht wegen ihres Humors, sondern weil sie in der Vergangenheitsform von einem Mann spricht, der immer noch lebt.
    » Meloni-melanzane-banane-patate !« Ein weiterer Obst- und Gemüsehändler bahnt sich seinen Weg durch die Gassen unter uns und bringt eine alte Frau dazu, ihre Wäscheklammern fallen zu lassen und von ihrer Terrasse zu verschwinden, nur um Sekunden später auf der Straße wieder aufzutauchen, wo der Lastwagen anhält und ein Verkauf getätigt wird.
    In Andrano kann man überleben, ohne das Haus jemals zu verlassen. Man braucht nur zu warten, bis die Kirchturmglocke Viertel vor zehn schlägt, und den Kopf zum Fenster hinauszustrecken, wenn die alten Laster durch den Ort kurven. Die heiseren Tiraden der Fahrer, die mit einstudierter Melodik zum Besten gegeben werden, werden von selbst gebastelten Lautsprecheranlagen verstärkt und hallen in den staubigen engen Gassen wider. Viele singen im Dialekt und sprechen ihre Kundschaft unmittelbar an. Nahrungsmittel sind die Haupthandelsware, was soll man in Süditalien auch anderes erwarten?
    »ZucchineZucchineZucchine!«
    »Patate Calimera, patate zuccarine!”
    »Funghi-melanzane-peperoni-meloni!«
    »Pesche fresche. Cinque euro ‘na cascia de pesche!«
    Dank der Straßenhändler von Andrano umfasst mein Vokabular bald ebenso viele Gemüsesorten wie Danielas Kühlschrank.
    Andere Händler verkaufen Haushaltswaren. » Articoli da bagno, articoli da bagno !«, ruft einer und bietet Badezimmerzubehör an – Waagen, Spiegel, Badewannenmatten und Wischmopps. » Mula forbici!«, ruft ein anderer, in der Hoffnung, unsere Scheren schleifen zu können. »Voglio la murga! Cambio la murga!« Dieser alte Mann, so Daniela, tauscht Küchenutensilien gegen murga – altes Küchenfett, das er zu Seife verarbeitet. Nein danke.
    »HausfrauenHausfrauenHausfrauen! Kommt heraus auf die Straße für dieses einzigartige Sonderangebot! Vier Besen für
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