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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
Autoren: Chris Harrison
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gewinnen wir an Tempo und rasen im höchsten Gang an unserem Haus vorbei.
    »Wohin fahren wir?«, frage ich und stütze meinen Fuß auf ihr Handschuhfach.
    »Zu Zia Maria«, lautet ihre Antwort. »Niemand kann Seeigelstacheln besser entfernen als Tante Maria.«
    Zia Maria, die mich für einen Österreicher ( Austriaco ) statt für einen Australier ( Australiano ) hält, verarztet mich gekonnt, und bald darauf befinden wir uns mit Feigen, Spinat und einer Schürze Zitronen vom eigenen Baum, die auf dem Rücksitz herumkullern, wieder auf dem Heimweg.
    Am höchsten Punkt der Straße bläst ein dunkelblau uniformierter Mann mittleren Alters in eine Trillerpfeife und hält etwas hoch, das aussieht wie ein übertrieben großer rot-weißer Lutscher. »Das ist ein vigile« , erklärt mir Daniela, tritt mit ihrer Sandale auf die Bremse und murmelt etwas wie » la miseria «. Aber als wir näher kommen, erkennt der Verkehrspolizist die Fahrerin und winkt uns durch.
    »Der ist aber gründlich«, sage ich.
    »Das ist Giovanni«, hebt Daniela an und grüßt ihn, als wir an ihm vorbeifahren, bevor sie beginnt, mir seine Lebensgeschichte zu erzählen.
    Giovanni stammt ursprünglich aus Poggiardo, einer Stadt die weiter nördlich liegt, und wurde vor zehn Jahren hierher versetzt. Schon bald stand er in dem Ruf, der gemeinste vigile der ganzen Gegend zu sein, einer, der schon bei winzigen Vergehen Strafzettel verteilt, was weder die Autofahrer noch seine Kollegen gewohnt waren. Doch dann verliebte er sich in eine Frau aus dem nahe gelegenen Castro und hat seitdem kaum noch Strafzettel verteilt. Heute zeigt er sich stets verhandlungsbereit, sogar bei ernsthaften Verkehrsverstößen. »Der Mann ist wie verwandelt, und das alles nur wegen einer Frau aus Castro«, beendet Daniela auf Italienisch ihre Geschichte.
    »Und, weiß er genauso viel von dir wie du von ihm?«, hake ich auf Englisch nach.
    » Probabilmente . Er hat dich auch schon durchgewunken, stimmt’s?«
    »Aber ich bin doch erst einen Tag hier.«
    »Länger dauert es nicht.«
     
    Seit wir uns kennen, hat sich Danielas Englisch dramatisch verbessert. Sie hat ein paar Probleme mit dem Imperfekt, aber ich interessiere mich ohnehin ausschließlich für ihre Zukunft. Da sie in der Schule Englisch hatte, hat sie einen gewissen Vorsprung, was das Lernen von Fremdsprachen betrifft, aber ich bemühe mich aufzuholen. Daniela hilft mir dabei, während ich ihr Englisch verbessere. So sind wir beide Lehrer und Schüler und sprechen eine Mischung aus Englisch und Italienisch. Daraus wird fast so etwas wie eine Mischsprache, die ebenso lustig wie einzigartig ist. Alles nehmen wir zum Anlass, um ein neues Wort oder eine neue Redewendung zu lernen. Danielas alte Schrottkarre bildet da keine Ausnahme.
    »Schrott«, wiederholt Daniela. »Mein Auto ist Schrott.« Sie versucht sich das neue Wort einzuprägen.
    »Genau. Schrott . Und auf Italienisch?«
    »Sfinita. La macchina è sfinita.«
    » Sfinita «, spreche ich ihr nach. » La macchina è sfinita .«
    Die Kirchturmuhr läutet zwölf, als wir Danielas Toreinfahrt erreichen. Ihr Nachbar, Pippo, hat sein Auto vor ihrer Garage geparkt. »Das tut er öfter«, sagt sie eher resigniert als wütend. Daniela drückt dreimal auf die Hupe – »das hilft normalerweise.« Prompt watschelt Pippo mit den kurzen, hastigen Schritten eines alten Herrn, der es eilig hat, aus dem Haus. Er hebt den Daumen, zum Zeichen, dass es keine Sekunde dauern wird.
    »Was ist das für ein Auto?«, frage ich Daniela, während wir in unserem sitzen und warten.
    »Das« – sie macht eine kleine Kunstpause, als verkünde sie eine kleine Sensation – »ist ein Fiat aus dem Jahr 1964. Er heißt ›La Giardiniera‹, das Modell ›Gärtnerin‹. Er war vor allem bei den Bauern beliebt, weil er hinten viel Platz für Werkzeug hat.«
    Das Auto sieht aus wie die Oldtimerversion eines Kombis und besitzt drei Türen, von denen zwei nach hinten aufgehen. Es ist kaum länger als ein heutiges Motorrad und auch nicht größer.
    Pippo steigt ein und knallt die Tür zu, woraufhin der Kofferraumdeckel aufspringt.
    »Du kennst doch Newton?«, fragt Daniela. » Per ogni azione …«
    »Ja, ja, ich weiß: Kräfte treten immer paarweise auf. Übt ein Körper A auf einen anderen Körper B eine Kraft aus, so wirkt eine gleichgroße, aber entgegengerichtete Kraft von Körper B auf Körper A .«
    »Pippos Fiat ist das perfekte Beispiel für diese Theorie.«
    Vollkommen ahnungslos über seinen
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