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Sieh dich um: Thriller (German Edition)

Sieh dich um: Thriller (German Edition)

Titel: Sieh dich um: Thriller (German Edition)
Autoren: Jon Osborne
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gemeldet – was nie ein gutes Zeichen bedeutete. Wenn ein anonymer Anrufer in Dinge dieser Art verwickelt war, hieß das in der Regel, dass man mit Hilfe vonseiten der Öffentlichkeit praktisch nicht rechnen konnte.
    Glücklicherweise hatte das NYPD fast sofort nach dem Eintreffen am Tatort das FBI hinzugezogen. Die leitende Ermittlerin hatte offensichtlich auf Anhieb gewusst, womit sie es zu tun hatte – und anscheinend nicht die geringste Lust verspürt, die blutige Sauerei auch nur mit einem drei Meter langen Stab anzufassen. Die rasche Kommunikation hatte den Grad der Kontamination des Tatorts ein wenig verringert, wenigstens ein positiver Aspekt bei der ganzen Sache. Wenn von nun an keine Fehler begangen wurden, bestand sogar die geringe Chance, dass der Tatort von den Technikern des FBI unter die Lupe genommen werden konnte, als wäre er unberührt – die zweitbeste Möglichkeit nach der, dass die Bundesermittler als Erste vor Ort waren.
    Abblätternde Tapeten bedeckten krumme Wände auf allen vier Seiten des Wohnzimmers, an den Rändern gelb und gekräuselt von Wasserschäden. Strom gab es in dem heruntergekommenen Gebäude nicht mehr, weil es in zwei Wochen abgerissen werden sollte. Die schräg durch die verdreckten Scheiben einfallende Frühlingssonne bot dennoch genügend Licht, um den Tatort in Augenschein nehmen zu können.
    Es war kein hübscher Anblick.
    Von Ratten angenagte Müllsäcke stapelten sich meterhoch in der nordwestlichen Ecke des Raums. Dunkle Flüssigkeit sickerte aus zahllosen Löchern und sammelte sich in einer Lache auf dem Boden. An der Südwand stand ein schwerer alter Fernseher auf einem klapprigen, durchgebogenen Gestell. Der Stecker eines ausgefransten Stromkabels befand sich noch in der Steckdose. Freiliegende elektrische Drähte verliefen gefährlich dicht über dem ausgefransten, fleckigen Teppich – ein nahezu sicherer Brandherd, hätten die müden alten Adern des Gebäudes noch Strom geführt. Direkt über dem Fernseher befand sich ein vernageltes Fenster. Dünne, rostige Nägel ragten in jede Richtung und versprachen jedem eine Zukunft voll Tetanusspritzen, der dumm oder ungeschickt genug war, sich daran zu verletzen. Die innerstädtische Version eines Sicherheitssystems – die Alternative armer Menschen zu einem Rottweiler oder Pitbullterrier, um das zu schützen, was einem rechtmäßig gehörte.
    Mitten in all dem, auf einem frisch gesäuberten Wohnzimmertisch, knapp einen Meter von Stephanie Manns geschundenem, gefoltertem Leichnam, lag eine makellose Ausgabe von Amos Burn – eine Schachbiografie des internationalen Großmeisters aus der Schweiz, Richard Forster. Daneben stand – aufrecht wie ein stummer Miniaturwächter, der fürstlich entlohnt worden war, um dafür zu sorgen, dass seinem renommierten Mandanten kein Leid widerfuhr – eine glänzende Neun-Millimeter-Messingpatrone.
    Special Agent Dana Whitestone sah zweimal hin. Selbst inmitten dieser grausigen Szenerie wirkte die Patrone merkwürdig deplatziert, eine Fremde in einem fremden Land, die weder willkommen noch irgendwie erklärlich war. Dana blinzelte und sah ein drittes Mal hin. Die Patrone hatte sich keinen Millimeter bewegt.
    Übelkeit befiel Danas Magen und krampfte ihn zusammen. Zum ersten Mal in der Serie unaussprechlich grausiger Morde, die sie und ihr Partner Jeremy Brown untersuchten – bisher auffallend erfolglos, wie die lokalen Medien mit pflichtbewusster Freude nicht müde wurden zu verkünden –, hatte der Killer so etwas wie einen Co-Star zurückgelassen, den sich das Rampenlicht mit dem neuesten Buch teilte, das er auserkoren hatte, um eine historische Schachpersönlichkeit zu repräsentieren.
    Aber warum ?
    Dana verzog das Gesicht und spürte den Beginn mörderischer Kopfschmerzen, die sich zusammenbrauten. Obwohl sie noch nicht begriff, welche Bedeutung die Patrone hatte, verriet sie ihr doch etwas, das mit größter Wahrscheinlichkeit zutraf: Der Killer wurde dreister. Dreist genug, um die Stadt in eine Panik zu versetzen, die sie seit den Tagen des Son of Sam nicht mehr gekannt hatte.
    Neben dem mächtigen, neunhundertzweiundsiebzig Seiten dicken Wälzer, der das bemerkenswerte Leben des verstorbenen englischen Schachgroßmeisters Amos Burn zum Inhalt hatte, nahm sich jeder Türstopper unbedeutend aus. Die winzige, im strahlenden Sonnenlicht schimmernde Kugel bildete einen starken Kontrast dazu und wirkte daneben beinah verloren – ein unwichtiger Tourist, der in
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