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Sieben Tage für die Ewigkeit - Roman

Sieben Tage für die Ewigkeit - Roman

Titel: Sieben Tage für die Ewigkeit - Roman
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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zurück, und Zofia legte sich auf den Rücksitz, den Kopf auf seine Knien. Der Fahrer warf einen Blick in den Rückspiegel, und Lukas schenkte ihm ein breites Lächeln.
    Der Wagen raste dahin, die Passanten wichen erschrocken zur Seite. Eine halbe Stunde später hielt er an einer Kreuzung.
    »Sie wollten zum Mount Sinai – hier sind Sie am Mount Sinai!«, sagte der Mann und sah sich stolz um.
    Zofia richtete sich erstaunt auf. Der Fahrer streckte ihr die Hand aus.
    »Schon? Ich dachte, es sei sehr viel weiter.«
    »Nun, es ist sehr viel näher!«, entgegnete der Fahrer.
    »Warum strecken Sie die Hand aus?«
    »Warum?«, fragte er und hob die Stimme. »Weil es von Brooklyn bis zur Madison Avenue zwanzig Dollar macht, darum!«
    Zofia sah aus dem Fenster und riss die Augen auf. Vor ihr erhob sich die Fassade des Mount Sinai Hospital von Manhattan.
    Lukas seufzte.
    »Tut mir leid, ich wusste nicht, wie ich’s dir sagen sollte.«
    Er zahlte und zog Zofia, die kein Wort mehr sagte, mit sich. Sie stolperte bis zu der kleinen Bank unter dem Dach der Bushaltestelle.
    »Du hast den falschen Schlüssel erwischt. Der, den du genommen hast, führt zu Little Jerusalem in New York«, sagte Lukas.
    Er kniete vor ihr nieder und nahm ihre Hände in die seinen.
    »Zofia, du musst jetzt aufhören … Es ist ihnen in Tausenden von Jahren nicht gelungen, über das Schicksal der Welt zu entscheiden – glaubst du da wirklich, dass wir in sieben Tagen eine Chance hatten? Morgen Mittag werden wir getrennt. Also sollten wir doch keine der uns verbleibenden Stunden vergeuden. Ich kenne mich gut aus in der Stadt; lass mich aus diesem Tag unseren Augenblick der Ewigkeit machen.«
    Er nahm sie bei der Hand, und sie liefen die Fifth Avenue hinunter.
    Er führte sie in eine kleine Trattoria im Village. Der Garten des Lokals war um diese Jahreszeit menschenleer, und sie ließen sich dort ein festliches Mittagessen servieren. Sie schlenderten weiter bis nach SoHo, betraten alle Boutiquen, zogen sich zehnmal um und überließen die getragenen Kleider den Obdachlosen, die auf den Bürgersteigen herumlungerten. Um fünf Uhr hatte sie Lust auf Regen; er ließ sie die Einfahrt einer Tiefgarage hinuntergehen und bat sie, mitten auf der Hauptspur stehen zu bleiben. Unter einer Düse der Sprinkleranlage zündete er sein Feuerzeug an, und gleich darauf spazierten sie Hand in Hand durch einen einzigartigen Regenschauer. Beim ersten Heulen der Feuerwehrsirenen ergriffen sie die Flucht. Sie trockneten sich in der warmen Luft, die aus einem unterirdischen Gitter drang, und suchten Schutz in einem Kinocenter. Sie wechselten siebenmal den Kinosaal, ohne ein einziges Popcorn bei ihrem Hin und Her auf den Gängen zu verlieren. Was bedeutete schon das Ende eines Films – für sie zählte nur der Anfang. Als sie wieder ins Freie traten, lag der Union Square bereits im Dunklen. Ein Taxi setzte sie an der Ecke 57th Street ab. Sie betraten ein Kaufhaus, das erst sehr spät schloss. Lukas wählte einen schwarzen Smoking, sie ein modisches Kostüm.
    »Das Geld wird erst am Monatsende abgebucht!«, flüsterte er ihr ins Ohr, als sie beim Kauf einer Stola zögerte.
    Sie nahmen den Ausgang zur Fifth Avenue, betraten das Plaza Hotel am Central Park und fuhren mit dem Aufzug bis in die letzte Etage. Vom Tisch aus, an den man sie führte, hatten sie eine atemberaubende Aussicht. Sie kosteten von allen Gerichten, die Zofia nicht kannte. Bei den Desserts fiel ihr die Wahl besonders schwer.
    »Man nimmt erst am übernächsten Tag zu«, meinte sie schließlich und entschied sich für ein Schokoladensoufflé.
    Er war elf Uhr nachts, als sie in den Central Park traten. Die Luft war mild. Sie liefen über die von Laternen gesäumten Wege und setzten sich auf eine Bank unter einer großen Weide. Lukas zog sein Jackett aus und legte es Zofia über die Schultern. Sie betrachtete die kleine weiße Steinbrücke, die den Weg überspannte, und sagte:
    »In der Stadt, in die ich dich führen wollte, gibt es eine große Mauer. Die Menschen schreiben ihre Wünsche auf kleine Zettel und stecken sie in die Mauerritzen und niemand hat das Recht, sie zu entfernen.«
    Ein Stadtstreicher kam den Weg hinauf. Er grüßte sie, und seine Gestalt verschwand unter dem Bogen der kleinen Brücke. Es folgte ein langer Augenblick des Schweigens. Lukas und Zofia betrachteten den Himmel; ein gewaltiger runder Mond verbreitete ein silbriges Licht. Ihre Hände vereinten sich, Lukas drückte ihr einen Kuss auf
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