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Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Titel: Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends
Autoren: Kai Meyer
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großer Fehler war. Sie hätte niemals mitgehen dürfen, sie nicht und nicht ihr Vater. Andererseits: Hatten sie denn jemals eine Wahl gehabt?
    Der Feuerschein wurde heller, und bald erreichte die Gruppe eine bewaldete Anhöhe, von der aus sie in ein kleines Tal hinabschauten.
    Der Anblick, der sich dort unten bot, ließ Dea vor Ehrfurcht erstarren.
    Das Tal wurde von den Strängen einer gigantischen Wurzel ausgefüllt, keiner schmaler als der Leib eines Ackergauls, die größten so dick wie Türme. Aus ihrer Mitte erhob sich der Stamm eines gewaltigen Baumes, breit wie eine Burg, überzogen von dunkler, borkiger Rinde. Die Äste des Riesenbaumes waren nicht zu erkennen, denn nach rund hundert Schritt Höhe verschwand der Stamm in der Finsternis des sternenlosen Nachthimmels.
    »Der Weltenbaum«, murmelte Morgwen atemlos an Deas Seite. »An seinen Zweigen hängen Welten wie Früchte an einem Obstbaum.«
    »Wie hoch ist er?«, flüsterte Dea.
    »Höher als alles, das du dir vorstellen kannst. Seine Äste umspannen das Diesseits und das Jenseits. So zumindest erzählt man es sich.«
    Am Boden des Tals, inmitten des Wirrwarrs aus mächtigen Wurzelsträngen, brannte ein Feuer. Aber es zehrte nicht vom Holz der Wurzel. Seine Flammen ließen den Baum und seine Rinde völlig unangetastet.
    »Wo sind sie?«, entfuhr es einer der Hexen.
    Von den Meistern des neuen Jahrtausends war keine Spur zu entdecken. Das Wurzelgewirr rund um das Feuer lag da wie ausgestorben.
    Abakus starrte düster ins Tal hinab. »Sie sind noch nicht lange fort. Ich kann sie spüren.«
    Tatsächlich fühlte auch Dea etwas, eine fremde Präsenz, die sie wie einen exotischen Geruch wahrnahm – allerdings nicht durch die Nase, sondern allein mit der Kraft ihres Geistes. Hätte sie nicht gewusst, dass dieses Gefühl von den mysteriösen Meistern ausging, sie hätte es nicht zuordnen können. So aber hatte sie keinen Zweifel, dass Abakus die Wahrheit sagte. Die Meister waren bis vor kurzem hier gewesen.
    Es gelang ihr, einen flüchtigen Blick auf Goten zu werfen. Er nickte ihr kurz zu, ließ aber offen, was er ihr damit bedeuten wollte. Vielleicht sollte das nur heißen, dass alles in Ordnung war. Dass sie nichts zu befürchten hatte. Dass er immer noch Herr seines eigenen Plans war.
    Abakus begann den Abstieg ins Tal, seine Hexen folgten ihm. Goten ging als Letzter. Schlitternd und rutschend bewegten sie sich hügelabwärts, bis sie schließlich in die Schatten der äußeren Wurzelstränge traten. Die riesigen Arme der Wurzel erhoben sich vor ihnen wie Mauern und Torbögen aus Holz. Es war, als beträten sie ein Labyrinth, das ein verrückter Baumeister im Auftrag eines noch verrückteren Gottes ersonnen hatte.
    Abakus schritt ohne Zögern weiter in die Richtung des Feuers. Goten hielt sich hinter ihm. Die Hexen jedoch wurden immer langsamer und blieben schließlich stehen. Dea war hin- und hergerissen. Sollte sie bei Morgwen bleiben oder aber Abakus und ihrem Vater folgen?
    Abakus wirbelte abrupt herum. Zornentbrannt blickte er die Hexen an.
    »Was ist in euch gefahren? Warum bleibt ihr stehen?« Seine Stimme war nur ein gefährliches Zischen.
    Die Hexen wagten nicht, ihm zu antworten. Dann aber fasste sich Morgwen, die mächtigste von ihnen, ein Herz.
    »Es ist anders, als Ihr gesagt habt«, sagte sie.
    »Ganz anders«, pflichtete eine zweite Hexe bei.
    »So?«, fragte Abakus lauernd. »Und was soll das bedeuten?«
    »Ihr habt gesagt, die Meister wüssten nicht, dass wir kommen«, gab Morgwen aufgeregt zurück. »Ihr habt gesagt, wir hätten gewiss leichtes Spiel mit ihnen.«
    »Du zweifelst an meinen Worten?« Der Blick des Hexenmeisters war jetzt so feindselig, dass er einen gewöhnlichen Menschen auf der Stelle getötet hätte. »Ist es das, Morgwen? Rieche ich … Rebellion?«
    Morgwens Züge zuckten einen Moment lang, dann aber hatte sie sich wieder unter Kontrolle.
    »Wo sind die Meister, Abakus? Warum habt Ihr nicht gewusst, dass sie fort sind?«
    »Sie sind hier!«
    »Dann zeigt uns, wo!«
     

    Ein Anflug von Raserei geisterte über das Gesicht des Hexenmeisters. Dann fuhr er plötzlich herum, riss beide Arme auseinander und warf seinen Kopf in den Nacken. Aus seinem Mund entwich ein hoher, spitzer Laut, vielleicht ein Wort in einer längst vergessenen Sprache.
    Rund um die Gruppe stiegen Feuersäulen zwischen den Wurzeln empor und machten die Nacht zum Tag. Gleißende Glut waberte in die Höhe, zerriss die Schwärze und gewährte ihnen einen
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