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Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Titel: Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends
Autoren: Kai Meyer
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steckt, als wir alle vermutet haben. Die Kraft in deinem Inneren ist wie ein Feuer, das viel heißer und höher brennt als das von uns anderen. Wenn zu dem, was ich dir beigebracht habe, erst noch die Erfahrung kommt … wer weiß, zu was du dann fähig sein wirst.« Sie beugte sich vor und flüsterte die letzten Worte in Deas Ohr. »Gib Acht auf Abakus! Er wird niemanden dulden, der ihm an Macht gleichkommt. Merk dir das, Dea! Der Meister wird ein Auge auf dich haben.«
    »Glaubst du, er wird –«.
    Morgwen schüttelte den Kopf und schaute sich aufmerksam nach Zuhörern um. »Er wird dir nichts zu Leide tun. Nicht heute und nicht morgen. Aber hüte dich vor der Zukunft, Dea!«
    Sie befanden sich in einem kleinen Innenhof der Festung, kühl und schattig wie alle Winkel des Gemäuers. Außer ihnen war niemand hier. Trotzdem sah Dea ihrer Lehrerin an, dass sie fürchtete, belauscht zu werden. Abakus’ Augen und Ohren waren überall.
    »Werde ich –«, begann Dea, schluckte dann und begann noch einmal von neuem: »Werde ich irgendwann einmal Abakus’ Macht haben? Meinst du das?«
    »Schon möglich«, entgegnete Morgwen knapp. »Aber lass uns nicht mehr davon sprechen. Solche Worte … solche Gedanken sind gefährlich.«
    Sie verließen den Hof und wanderten gemeinsam durch die verwinkelten Steinflure der Festung. Einmal glaubte Dea, ein verstohlenes Rasseln zu hören, doch als sie sich umschaute, war es bereits verstummt.
    »Was ist?«, fragte Morgwen argwöhnisch.
    »Nichts«, gab Dea zurück. »Ich hab mich getäuscht, glaube ich.«
    Morgwen blieb sofort stehen. »Hast du etwas gehört?«
    Dea winkte ab. »Schon gut. Da ist nichts. Nur ein paar Ratten oder der Wind.«
    Aber die Hexe blieb besorgt. »Wenn uns jemand belauscht hat …«
    »Du hast Angst vor Abakus, nicht wahr?«
    Morgwen schüttelte den Kopf, aber es wirkte unecht und viel zu hastig. »Nein.«
    Dea spürte, dass Morgwen nicht die Wahrheit sagte. Sie erinnerte sich nur zu gut an ihre ersten Tage in der Festung; damals war Morgwen Abakus’ rechte Hand gewesen. Wie es schien, hatte sich dies jedoch geändert. Denn warum sonst hätte Morgwen ihren Meister mit einem Mal derart fürchten müssen? Fast ein Jahr war seit damals vergangen. Vielleicht hatte die Hexe erkannt, dass Abakus bei allem, was er tat, immer nur sein eigenes Wohlergehen, seinen eigenen Machtgewinn im Auge hatte. Morgwen hingegen hatte ihre eigene Vorstellung von dem Arkanum, einem Bund, in dem es nicht um den Einzelnen, sondern nur um das eine große Ziel ging: Macht über die Menschheit zu erlangen.
    Die beiden erreichten eine Kreuzung im Zentrum der Festung. Dea blieb stehen. »Ich will versuchen, meinen Vater zu finden. Ich muss mit ihm reden.«
    »Er wird bei Abakus sein, wie üblich«, gab Morgwen mürrisch zurück. War es das? Glaubte sie, Goten habe ihr den Platz an der Seite ihres Herrn streitig gemacht? Ja, dachte Dea, das musste es sein.
    »Du hast deinen Vater in letzter Zeit nicht oft gesehen, was?«, fragte Morgwen, plötzlich mit einer Spur von Mitgefühl in der Stimme.
    »Er ist ständig beim Magister«, sagte Dea bedrückt. »Seit wir hier bei euch sind, habe ich höchstens ein halbes Dutzend Mal mit ihm gesprochen.« Sie seufzte. »Ich komme einfach nicht an ihn ran. Abakus nimmt ihn völlig in Beschlag.«
    »Ja«, erwiderte Morgwen grimmig. »Den Eindruck hab ich auch.«
    In stillen Nächten, in der Einsamkeit ihrer Kammer, hatte Dea oft über Gotens rätselhafte Beziehung zu Abakus nachgedacht. In jenen Momenten hatte sie sich immer wieder eine einzige Frage gestellt: War ihr Vater selbst jener Macht verfallen, die er eigentlich hatte bekämpfen, ja, vernichten wollen?
    Hatte Abakus ihn auf seine Seite gezogen?
    Sie schüttelte sich bei dem Gedanken.
    »Geht es dir gut?«, fragte Morgwen sorgenvoll und streichelte ihre Wange. »Dein Gesicht ist ganz kalt.«
    »Ich bin aufgeregt«, gab Dea schnell zurück. »Wegen des großen Plans.«
    Morgwen nickte verständnisvoll. »In ein paar Tagen ist es so weit. Am letzten Tag des Dezembers brechen wir auf.«
    Dea deutete einen Gang hinunter. »Ich muss in diese Richtung. Ich will sehen, ob mein Vater in seiner Kammer ist.«
    »Viel Glück.« Morgwen tätschelte noch einmal ihre Hand, dann fuhr sie mit wirbelndem schwarzem Haar herum und verschwand in einem anderen Korridor. Nachdem sie im Schatten verschwunden war, hörte Dea noch lange das Klappern ihrer Schritte von fernen Steinwänden widerhallen.
    Sie atmete tief durch,
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