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Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Titel: Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends
Autoren: Kai Meyer
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blitzartigen Blick auf das, was sich über ihnen befand, dort, wo klarer Nachthimmel hätte sein sollen.
    Aber da war kein Himmel. Stattdessen spannte sich eine unendliche Masse aus Zweigen über dem Waldland, höher, als ein Vogel hätte fliegen können, und doch einen Herzschlag lang völlig klar und deutlich zu erkennen. Es war der fremdartigste und zugleich majestätischste Anblick, der sich Dea je geboten hatte. Und sie zweifelte, dass sie irgendwann in ihrem Leben noch einmal etwas Vergleichbares würde sehen dürfen.
    Sie alle – Abakus, Goten, die Hexen – waren stocksteif geworden. Selbst der grausame Hexenmeister hatte der Faszination dieser endlosen Kuppel aus Holz nichts entgegenzusetzen. Mit seinen Feuersäulen hatte er die Meister aus ihren Verstecken locken wollen – dass sein Zauberlicht stattdessen ein solches Bild enthüllte, machte sogar ihn sprachlos.
    Die Flammen vergingen so schnell, wie sie aufgelodert waren, und mit ihnen verschwand auch das Bild der weltumspannenden Baumkrone. Dunkelheit legte sich über den Himmel wie ein schwarzer Vorhang.
    Als Abakus, Goten und die rebellischen Hexen aus ihrer Starre erwachten, waren um sie herum sieben Gestalten aus der Finsternis getreten. Ihre Gesichter lagen in den Schatten breitkrempiger Hüte, manche mit Federn geschmückt, andere mit bunten Bändern und Fransen. Sie trugen Kleidung aus Leder und Wolle, gezeichnet von tausendjähriger Wanderschaft.
    Die sieben Meister waren in einem weiten Kreis um die Gruppe aufgetaucht. Einige standen am Boden, andere saßen hoch über den Köpfen der Hexen auf den Wurzelsträngen.
    Abakus griff blitzschnell in die Falten seines Gewandes und zog ein gewaltiges Langschwert hervor. Er packte es mit beiden Händen und sah zu, wie weiße Flammen an der Klinge emporkrochen und sie in unirdisches Feuer tauchten.
    »Tötet sie!«, kreischte er, und seine Stimme drohte sich vor Erregung zu überschlagen. »Tötet sie alle!«
    Auch Goten hielt immer noch sein Schwert in der Hand, hatte die Spitze jedoch zum Boden gerichtet. Damit machte er deutlich, dass er die Waffe nicht gegen die Meister des neuen Jahrtausends erheben würde.
    Abakus bemerkte es nicht einmal. Vielmehr zuckten seine Blicke über die sieben schattigen Gestalten hinweg, bohrten sich dann in den Pulk der Hexen. Dea spürte, wie die anderen um sie herum immer unruhiger wurden. Mehr als eine der Hexen verließ der Mut. Die Anschuldigungen Morgwens hatten ihnen vor Augen geführt, dass ihr Anführer keineswegs allmächtig war. Und obwohl er Recht behalten hatte – die Meister waren tatsächlich die ganze Zeit über hier gewesen –, vertrauten sie nicht länger darauf, dass Abakus’ Kräfte sie vor der Macht der Meister bewahren würden.
    Eine der Gestalten ergriff das Wort. Es war ein Mann, der auf einem der hohen Wurzelbögen saß, ein Bein baumeln ließ und das andere angewinkelt und mit beiden Armen umschlungen hatte. Auch sein Gesicht blieb im Schatten der Hutkrempe unsichtbar.
    »Warum richtest du deine Klinge gegen uns, Hexer?«, fragte er. Seine Stimme klang rau und heiser von vielen Nächten des Geschichtenerzählens.
    Abakus gab keine Antwort. Stattdessen wies er mit der Spitze seines Flammenschwertes auf den Mann, der gesprochen hatte. Im nächsten Augenblick löste sich ein Feuerstrahl aus der Klinge und fraß sich durch die dunkle Nacht auf den Meister des neuen Jahrtausends zu.
    Der Mann regte sich nicht. Nach allem, was Dea über sie gehört hatte, waren dies vertrauensvolle und friedliche Geschöpfe.
    Die Flammenzunge aus Abakus’ Schwert raste auf den Meister zu, kam immer näher und näher. Dann aber, ganz plötzlich, verpuffte sie, keine zwei Handbreit vom Gesicht des Mannes entfernt.
    Abakus riss die Augen auf. »Was –«. Er brachte die Frage nicht zu Ende. Denn noch im selben Moment erkannten alle, was geschehen war.
    Dea hatte beide Arme ausgestreckt und zeigte mit allen zehn Fingern gleichzeitig auf den Meister, der immer noch oben auf der Wurzel kauerte. Schweißtropfen standen auf ihrer Stirn. Die Anstrengung war größer, als sie erwartet hatte. Dennoch war es ihr gelungen, Abakus’ Angriff auf den Meister des neuen Jahrtausends abzublocken. Sie hatte der Gestalt dort oben das Leben gerettet.
    »Du?«, brüllte Abakus entgeistert. »Ich hätte es mir denken sollen!«
    »Dea!« Auch Morgwen blickte fassungslos auf sie herab.
    »Geht!«, brachte Dea zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Nimm die anderen, Morgwen, und
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