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Sie

Titel: Sie
Autoren: Stephen King
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die Tür und wankte ins Apartment. Das ist der Grund, warum niemand je darüber schreibt. Weil es zu verdammt trostlos ist. Sie hätte sterben sollen, nachdem ich ihr den Kopf mit unbeschriebenem Papier und verkohlten Seiten vollgestopft hatte, und ich hätte auch sterben sollen. In diesem Augenblick waren wir mehr denn je wie Darsteller aus einem von Annies Serials - keine Grautöne, nur schwarz und weiß, gut und böse. Ich war Geoffrey, und sie war die Bienengöttin der Bourkas. Dies … nun, ich habe von Auflösungen gehört, aber diese hier ist lächerlich. Achte nicht auf den Schlamassel am Boden. Trink-Scheiße zuerst, Aufheb-Scheiße danach. Sei erst ein unartiges Bienchen und dann sei ein …
    Er blieb stehen. Ihm wurde bewusst, dass es in der Wohnung zu dunkel war. Und dann der Geruch. Er kannte diesen Geruch, eine tödliche Mischung aus Schmutz und Gesichtspuder.
    Annie erhob sich wie ein weißes Gespenst hinter dem Sofa, sie hatte Schwesterntracht an und eine Haube auf. Sie hatte die Axt in der Hand, und sie schrie: Zeit zum Nachwischen, Paul! Zeit zum Nachwischen!
    Er kreischte und versuchte, sich auf seinen lädierten Beinen umzudrehen. Sie sprang mit ungeschickter Kraft über das Sofa, dabei sah sie wie ein Albinofrosch aus. Ihre gestärkte Tracht knisterte steif. Der erste Axthieb raubte ihm lediglich den Atem - jedenfalls dachte er das, bis er auf dem Teppich aufschlug und sein eigenes Blut schmeckte. Er sah an sich hinab und stellte fest, dass sie ihn fast in der Mitte entzweigehauen hatte.

    »Nachwischen!«, kreischte sie, und seine rechte Hand war ab.
    »Nachwischen!«, kreischte sie abermals, und seine linke war ab; auf den blutenden Armstümpfen schleppte er sich zur Tür, und es war unglaublich, aber die Druckfahnen waren noch da, die gebundenen Fahnen, die Charlie ihm beim Essen im Mr. Lee’s gegeben hatte - er hatte ihm den braunen Umschlag über das strahlend weiße Tischtuch zugeschoben, während aus den Lautsprechern über ihnen seichte Musik plätscherte.
    »Annie, jetzt können Sie es lesen!«, versuchte er zu schreien, aber er bekam nur Annie, jetzt heraus, bevor sein Kopf abgeschlagen wurde und zur Wand rollte. Sein letzter brechender Blick in dieser Welt zeigte ihm seinen zusammensinkenden Körper und Annies weiße Schuhe, die neben ihm standen:
    Göttin, dachte er und starb.

4
    Szenario: Eine Skizze oder Synopse; eine Handlungsskizze.
    - Webster’s New Collegiate
     
    Schriftsteller: Jemand, der schreibt, bes. als Beruf.
    - Webster’s New Collegiate
     
    So-tun-als-ob: Vortäuschung oder vortäuschen.
    - Webster’s New Collegiate

5
    Paulie, Kannst du?

6
    Ja; selbstverständlich konnte er. »Das Szenario des Schriftstellers war, dass Annie noch lebte, wenngleich er wusste, dass das nur so-tun-als-ob war.«

7
    Er war wirklich mit Charlie Merrill Mittag essen gewesen. Alle Gespräche waren dieselben. Aber als er sein Apartment betrat, da wusste er, dass es die Putzfrau gewesen war, die die Vorhänge zugezogen hatte, und obwohl er tatsächlich hinfiel und einen Angstschrei unterdrücken musste, als Annie sich wie Kain hinter dem Sofa erhob, war es nur die Katze, eine schielende Siamkatze namens Dumpster, die er letzten Monat aus dem Tierheim geholt hatte.
    Es war keine Annie da, weil Annie letztlich doch keine Göttin gewesen war, nur eine verrückte Frau, die Paul aus nur ihr bekannten Gründen gequält hatte. Annie war es gelungen, sich das meiste Papier aus Hals und Mund zu entfernen, und sie war durch Pauls Fenster herausgeklettert, während Paul im Drogenschlaf gelegen hatte. Sie war bis zum Stall gekommen, und dort war sie zusammengebrochen. Als Wicks und McKnight sie gefunden hatten, war sie tot, aber nicht erstickt. Sie war an den Folgen des
Schädelbruchs gestorben, den sie sich geholt hatte, als sie mit dem Kopf gegen den Kaminsims gefallen war, und sie war gegen den Kaminsims gefallen, weil sie gestolpert war. In gewisser Weise war sie also von der Schreibmaschine getötet worden, die Paul so sehr gehasst hatte.
    Aber sie hatte durchaus Pläne mit ihm gehabt. Diesmal hätte ihr nicht einmal die Axt genügt.
    Sie hatten sie vor dem Verschlag von Misery, dem Schwein, gefunden, eine Hand um den Griff ihrer Motorsäge gelegt.
    Aber das alles gehörte der Vergangenheit an. Annie Wilkes lag in ihrem Grab. Aber wie Misery Chastain fand auch sie dort keine Ruhe. In seinen Träumen und Tagträumen grub er sie immer wieder aus. Die Göttin konnte man nicht töten. Man konnte
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