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Shutter Island

Titel: Shutter Island
Autoren: Dennis Lehane
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Augen.
    »Ich habe eine Befürchtung, Andrew. Wir waren schon mal so weit. Genau an dieser Stelle waren wir schon vor neun Monaten. Und dann haben Sie sich zurückentwickelt. Rapide.«
    »Das tut mir Leid.«
    »Das weiß ich zu schätzen«, sagte Cawley, »aber eine Entschuldigung hilft mir jetzt nicht weiter. Ich muss wissen, dass Sie die Realität akzeptieren. Keiner von uns kann sich eine erneute Regression leisten.«
    Teddy sah Cawley an, diesen zu dünnen Mann mit den großen Schatten unter den Augen. Der gekommen war, ihn zu retten. Vielleicht der einzig wahre Freund, den er je gehabt hatte.
    Wieder sah er den Knall des Schusses in ihren Augen, fühlte die nassen Handgelenke seines Sohnes, als er dessen Arme vor der Brust verschränkte, wieder sah er das Haar seiner Tochter, das er ihr mit dem Zeigefinger aus der Stirn strich.
    »Diesmal habe ich keine Regression«, sagte er. »Ich heiße Andrew Laeddis. Im Frühjahr 1952 habe ich meine Frau Dolores getötet …«

25
    ALS ER ERWACHTE, schien die Sonne ins Zimmer.
    Er setzte sich auf und schaute zu den Gitterstäben hinüber, aber es waren keine da. Da war nur ein Fenster, niedriger als in der Zelle. Er begriff, dass er nicht in der Zelle war, sondern im oberen Etagenbett des Zimmers, das er sich mit Trey und Bibby geteilt hatte.
    Es war niemand da. Er sprang vom Bett, machte den Schrank auf und fand seine Kleidung, frisch aus der Wäscherei. Er zog sie an. Er ging zum Fenster, setzte einen Fuß aufs Sims, um den Schuh zu schnüren. Er sah nach draußen in den Hof, wo Patienten, Pfleger und Wärter herumliefen. Einige schlenderten vor dem Krankenhaus umher, andere waren mit den Aufräumarbeiten beschäftigt, wieder andere pflegten die Überreste der Rosenbüsche entlang des Fundaments.
    Beim Schnüren des zweiten Schuhs musterte er seine Hände. Unerschütterlich. Sein Blick war so klar wie damals als Kind, sein Kopf ebenfalls.
    Er verließ das Zimmer und ging die Treppe hinunter nach draußen in den Hof. Im überdachten Gang traf er Schwester Marino. Sie lächelte ihn an und sagte: »Morgen!«
    »Und was für eine schöner«, gab er zurück.
    »Wunderschön. Wahrscheinlich hat der Hurrikan den Sommer weggepustet.«
    Er stützte sich auf die Brüstung und schaute in den babyaugenblauen Himmel, er roch eine Frische in der Luft, die es seit Juni nicht mehr gegeben hatte.
    »Schönen Tag noch«, sagte Schwester Marino und ging weiter. Er sah ihr nach und dachte, es sei vielleicht ein Zeichen seiner Heilung, dass ihm ihre schwingenden Hüften gefielen.
    Er ging in den Hof, vorbei an Pflegern, die ihren freien Tag hatten und mit einem Ball spielten. Sie winkten ihm zu, sagten »Guten Morgen«, und er winkte und grüßte zurück.
    Er hörte die Fähre hupen, die sich dem Anleger näherte, und auf dem Rasen vor dem Krankenhaus standen Cawley und der Direktor und unterhielten sich. Sie nickten ihm zu, er nickte zurück.
    Er setzte sich auf die Eingangstreppe des Krankenhauses, betrachtete alles und fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr.
    »Hier!«
    Er nahm die Zigarette, schob sie sich zwischen die Lippen, beugte sich zur Flamme vor und roch den Gasgestank des Zippo, bevor es wieder zuschnappte.
    »Wie geht’s uns heute Morgen?«
    »Gut. Und dir?« Tief sog er den Rauch ein.
    »Kann nicht klagen.«
    Er merkte, dass Cawley und der Direktor sie beobachteten.
    »Ob wir wohl je herausbekommen, was der Direktor da für ein Buch bei sich trägt?«
    »Nee. Bekommen wir vielleicht bis an unser Lebensende nicht raus.«
    »Das ist jammerschade.«
    »Vielleicht gibt’s auf dieser Erde Dinge, die wir nicht wissen sollen. Sieh’s doch mal so.«
    »Interessante Theorie.«
    »Na, ich versuch’s mal.«
    Er zog an der Zigarette und stellte fest, dass der Tabak süß schmeckte. Er war reichhaltiger und schmeckte lange nach.
    »Und, was machen wir als nächstes?«, fragte er.
    »Musst du mir sagen, Chef.«
    Er grinste Chuck an. Die beiden saßen in der Morgensonne, hatten es sich bequem gemacht und taten, als sei mit der Welt alles im Lot.
    »Wir müssen irgendwie von dieser Insel runter«, sagte Teddy. »Unseren Arsch Richtung Heimat bewegen.«
    Chuck nickte. »Hab mir gedacht, dass du so was sagst.«
    »Und? Vorschläge?«
    »Muss ich mal kurz drüber nachdenken«, sagte Chuck.
    Teddy nickte und lehnte sich gegen die Stufen. Er hatte Zeit. Auch länger. Chuck hob die Hand und schüttelte gleichzeitig den Kopf. Cawley nickte ihnen zu, dann sagte er etwas zum Direktor, und
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