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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden
Autoren: Wolfgang Schüler
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hinausgewachsen. Damit konnte niemand rechnen. Auf diese Weise haben wir leider Colonel Moran verloren. Es ist schade um ihn. Er war ein treuer Freund. Der Herr sei seiner armen Seele gnädig. Aber der gute Mann soll nicht umsonst gestorben sein. Im Sprichwort heißt es so schön: Ende gut, alles gut. Sie sind uns besuchen gekommen. Sie haben sich größtenteils an die Ihnen vorbestimmten Wege gehalten und fleißig die Brotkrumen eingesammelt. Ich hatte Ihnen bereits versprochen, dass Sie in den nächsten Wochen und Monaten einige interessante Erfahrungen machen würden. Dieses Versprechen werde ich halten. Das gilt natürlich auch für Sie, sehr verehrter Sherlock Holmes. Ihr Aufenthalt in diesem schönen Gemäuer wird zu keiner Stunde langweilig werden. Im Frühjahr des nächsten Jahres dürfen Sie sich dann empfehlen und eine Reise zu unserem Schöpfer antreten.«
    Während dieser Rede funkelte uns Colonel Moriarty wütend an, enthielt sich aber aller Bemerkungen. Der Geheime Polizeirat hingegen schien sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen. Er wirkte blass und fahrig. Außerdem knetete er unablässig seine Finger.
    Holmes sprach ihn unvermittelt an, ohne auf die Tiraden des Doktors einzugehen: »Sie bewegen sich auf dünnem Eis, Herr Geheimer Polizeirat. Sie sind ein gefährlicher Zeuge.Bald werden Sie uns in einem der Verschläge Gesellschaft leisten.«
    Nun mischte sich Colonel Moriarty ein: »Reden Sie kein dummes Zeug, Sie pensionierter Schwachkopf. Wir drei sind erfolgreiche Geschäftsleute und Teilhaber einer prosperierenden Firma. Wir verdienen mehr Geld an einem Tag, als Ihre alberne Hütte an der englischen Kanalküste wert ist. Dieses kleine Intermezzo hier hat mit unserer eigentlichen Unternehmertätigkeit nicht das Geringste zu tun. Unsere Gesellschaft ist hierarchisch organisiert. Ich als der Präsident stehe an der Spitze. Mein Sohn und der Geheime Polizeirat von Lauschbach-Hecker sind die anderen beiden Vorstandsmitglieder. Sämtliche Entscheidungen werden einstimmig gefasst. Vor uns stehen gewaltige Aufgaben, deren Dimensionen Sie selbst dann nicht begreifen würden, wenn ich sie Ihnen eine Woche lang erklären würde. Sie, verehrter Mr. Holmes, haben meinen Bruder einmal den ›Napoleon der Verbrechens‹ genannt. Mit diesem Attribut haben Sie ihn gnadenlos unterschätzt. Er war viel, viel mehr. Ihm hätte der Titel ›Alexander der Große‹ zugestanden. Meines Bruders Ziel bestand nicht darin, sich Großbritannien und Europa untertan zu machen, nein, wie Alexander wollte er die halbe Welt. Dank seiner weisen Vorausschau haben wir nun die Mittel und die Möglichkeiten dazu, diesen Plan in die Tat umzusetzen. Sie hingegen sind nur zwei Würmer im Staub, die nun zertreten werden.« Colonel Moriarty wedelte mit der Hand. »Und jetzt hinaus mit Ihnen. Die Spiele sollen beginnen.«
    Der Geheime Polizeirat von Lauschbach-Hecker sprang auf und stieß uns grob zur Tür hinaus. Ich ging vorneweg. Holmes folgte mir. Unser Bewacher bildete das Schlusslicht. »Nehmen Sie endlich Vernunft an«, flüsterte ihm mein Freund zu, »wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist.«
    Die Antwort war ein grober Stoß in seinen Rücken. Holmes schrie: »Watson, lauf los.« Im selben Moment trampelte er unserem überraschten Gegner auf den Fuß. Der Polizeirat heulte vor Wut und vor Schmerzen auf.
    Ich drehte mich um, um zu sehen, was hinter mir passierte, und torkelte rückwärts weiter. Das hätte ich nicht tun sollen. Plötzlich verlor ich den Boden unter den Füßen und stürzte eine steile Treppe hinab. Weil alles so schnell ging, konnte ich mich nicht mehr abfangen. Mein Kopf knallte gegen etwas Hartes. Ich wurde besinnungslos.
    Meine Ohnmacht hielt nur einen kurzen Moment an. Als ich wieder zu mir kam, stellte ich fest, dass ich mit dem Rücken auf etwas Hartem, Kaltem lag. Um mich herum war es dunkel. Etwa zwei Meter über mir drang ein schwacher Lichtschein durch eine viereckige Öffnung. Eben aus dieser Richtung klang ein lautes Lärmen. Dort oben schien jemand emsig Holz zu hacken.
    Irgendwie gelang es mir, auf die Füße zu kommen. Stufe um Stufe tastete ich mich in der Dunkelheit nach unten. Das ging relativ leicht, denn an der Wand rechts neben mir hingen eiserne Ringe.
    Kurz darauf hörte ich über mir ein dumpfes Geräusch. Ein Riegel wurde zugeschoben. Nun war es stockdunkel. Jemand folgte mir. Holmes zischte: »Bist du das, Watson?«
    Ich wisperte zurück: »Ja, ich bin hier unten.«
    »Rühr dich nicht von der
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