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Shelter Bay - 02 - Furienlied

Shelter Bay - 02 - Furienlied

Titel: Shelter Bay - 02 - Furienlied
Autoren: Lisa Papademetriou
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aber Will drehte sich nicht um.
    Er griff in seine Jacke und hielt die Flöte fest, besorgt, dass sie rausfallen und für immer verloren gehen könnte.
    Schnellen Schrittes eilte er den Trampelpfad entlang, den er, Tim und Zoe bei ihren vielen Ausflügen zur Bucht über die Jahre ausgetreten hatten. Es nieselte leicht und der Regen ließ die Wolken und das Wasser in dunklem Blau und blassem Grau erscheinen. Will erreichte den höchsten Punkt der Böschung und blies in das Instrument. Dann setzte er sich ins nasse Gras und wartete.
    Die Wolken hatten sich zu einer dichten Masse zusammengeballt, undurchdringlich und glatt wie eine Wand. Sie bildeten keine Formen, waren reglos wie das Wasser. Aufgrund des Regens und der kühlen Luft war niemand sonst zu sehen. Alles war still. Es gab nichts, was er hätte beobachten können, um die Zeit schneller verstreichen zu lassen. Er war allein mit seinen Gedanken, die so durcheinander waren wie die Sachen in der Kramschublade seiner Mutter. Kaum blieben sie an etwas hängen, wie zum Beispiel Tim, oder wie Zoe ihn gerettet hatte, richtete sich die Aufmerksamkeit seines Verstandes schon auf das Nächste – Kirk oder das Feuer in der Bucht. Es war verwirrend und sinnlos, völlig unbrauchbar. Aber da war zu viel Zeug, um die Schublade schließen zu können. Er konnte nichts tun, als dazusitzen und hilflos auf den ganzen Kram zu starren.
    Er musste nicht lange warten, bis Asia auftauchte. Will eilte die Böschung hinab, um ihr entgegenzugehen. Sie lief in Jeans und einem olivgrünen Trenchcoat über den Strand. Ihr dunkles Haar hing lose um ihr Gesicht, ihre Lippen und Wangen waren vom Wetter gerötet.
    »Wo warst du?«, fragte Will.
    »In der Nähe«, antwortete Asia. »Ich habe erwartet, dass du mich rufen würdest.«
    Will sah hinaus über das Wasser. »Es ist so seltsam, dich wiederzusehen. Ich habe ständig das Gefühl, dass … jetzt alles passieren könnte. Tim könnte aus dem Wasser da kommen.«
    »Ich bin nicht von den Toten auferstanden, Will. Ich war nie tot.«
    Will drehte sich zu ihr um. »Für mich warst du tot.«
    Asia griff nach seiner Hand. »Es tut mir leid, dass ich dir solches Leid zugefügt habe.« Sie verschränkte ihre Finger mit seinen.
    Wärme strömte aus ihrer Hand in seine, von wo aus sie in seinen Arm stieg und seine ganze Seite entlanglief wie eine Liebkosung.
    »Ich dachte nicht, dass ich zurückkehren würde«, gestand Asia. »Ich dachte, es wäre besser, wenn du und Zoe annehmen würdet, dass ich tot bin.«
    »Warum bist du zurückgekommen?«, fragte Will.
    Asia ließ seine Hand los. »Ich musste. Als mir klar wurde, dass Circe hier ist, hatte ich keine Wahl.«
    »Woher wusstest du überhaupt, dass sie hier ist?«
    Asia senkte den Blick und grub mit ihrer Fußspitze einen Bogen in den Sand. »Tim hat es mir gesagt«, gestand sie schließlich.
    Will fühlte sich, als hätte sie ihm ins Gesicht geschlagen. »Mein Bruder?«
    »Das Jenseits hat eine neue Art von Schwingungen – einen neuen Zugang zu unserer Ebene«, erklärte Asia.
    »Heißt das: die Toten? Der Himmel?«
    »Ich weiß nicht, was der Himmel ist, Will. Ich kann dir nur sagen, dass es eine andere Ebene ist. Und jenseits davon gibt es noch weitere Ebenen. Ich bin nie dort gewesen. Ich habe es nie gesehen. Aber ich kann es fühlen.«
    »Wie hast du Tim dann getroffen?«
    »Die Geister haben einen neuen Zugang zu unserer Welt. Einen Zugang, den sie für gewöhnlich nicht haben. Tim ist mir im Traum erschienen.«
    »Aber das war nur ein Traum.«
    »Wer kann schon sagen, was ein Traum ist? In unseren Träumen haben wir Zugang zu allem Möglichen, Will. Zu Dingen, die uns im Wachen entgleiten.«
    Will erinnerte sich an die Träume, die er in letzter Zeit gehabt hatte: einen Traum von einem Drachen, der einen See aus Öl entzündete. Einen Traum, in dem er mit seinem Bruder auf einem Steg saß. Einen Traum von Zoe, die die Bucht in Brand setzte. Und die Buchstaben auf dem Spiegel: RACHE. Und auf dem Autofenster …
    »Du erinnerst dich an etwas«, bemerkte Asia.
    »Nur … Träume.« Will trat von einem Fuß auf den anderen. Nur Träume. Träume. Oder hatte Tim ihm Botschaften gesandt? Bei dem Gedanken, dass sein Bruder versucht haben könnte, ihm etwas mitzuteilen, und er es nicht verstanden hatte, oder zu viel Angst gehabt hatte, um zu erkennen, worum er sich handelte, schnürte sich ihm die Kehle zu. Mafer hatte es gewusst, aber er nicht – erst seit dem letzten Mal.
    Asia nickte wissend. »Du
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