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Sharpes Trafalgar

Titel: Sharpes Trafalgar
Autoren: Bernard Cornwell
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angebracht, sodass sie ihre Prise in den Hafen schleppen konnte. Leutnant Peel ließ von einem Dutzend Männern neue Stage an dem verbliebenen Mast anbringen, um ihn vor dem bevorstehenden Sturm zu stützen. Die Stückpforten wurden geschlossen und die Geschütze festgezurrt. In der Kombüse wurden die Feuer wieder angezündet und als Erstes Essig gekocht, mit dem die blutbefleckten Decks geschrubbt wurden, denn man glaubte, dass nur erhitzter Essig die Planken vom Blut befreien konnte.
    Sharpe, wieder an Bord der Pucelle, fand einige Orangen im Speigatt, verzehrte eine und füllte mit den anderen seine Taschen.
    Die Toten wurden über Bord geworfen. An Bord waren alle nach einem Nachmittag des blutigen Kämpfens völlig erschöpft, doch der Einbruch der Dunkelheit und der aufkommende Wind brachte die schlechteste Nachricht des Tages.
    Ein Boot von der Conqueror wurde zur Pucelle gerudert, und ein Offizier rief die Nachricht hinauf zu Chases beschädigtem Achterdeck. Nelson sei gefallen, niedergestreckt durch eine Musketenkugel auf dem Deck der Victory. Die Seeleute der Pucelle konnten die Nachricht kaum glauben, und Sharpe erfuhr erst davon, als er Chase weinen sah. »Sind Sie verwundet, Sir?«, fragte er.
    Chase wirkte völlig fassungslos wie ein Besiegter, statt wie ein siegreicher Kapitän mit reicher Prise. »Der Admiral ist tot, Sharpe«, sagte Chase. »Er ist tot.«
    »Nelson?«, fragte Sharpe.
    »Tot!«, sagte Chase. »O Gott, warum nur?«
    Sharpe empfand ebenso eine innere Leere. Die gesamte Mannschaft wirkte schwer betroffen, als sei ein Freund, kein Kommandeur, gestorben. Nelson war tot. Einige glaubten es nicht, aber die Flagge des Oberbefehlshabers, die an der Royal Sovereign flatterte, bestätigte, dass jetzt Collingwood die siegreiche Flotte befehligte. Und wenn Collingwood das Kommando hatte, war Nelson tot. Chase weinte um ihn. Er wischte sich erst mit dem Ärmel über die Augen, als die letzte Leiche über Bord geworfen wurde. Es gab keine Zeremonie für diese letzte Leiche, denn für keinen, der an diesem Tag gefallen war, hatte es eine gegeben.
    Es schien plötzlich kälter zu werden. Der Wind war eisigkalt, und Sharpe fröstelte. Chase beobachtete, wie der Leichnam von den Wellen weitergetragen wurde, dann schüttelte er verwirrt den Kopf. »Er muss sich entschieden haben, am Kampf teilzunehmen«, sagte Chase. »Können Sie das glauben?«
    »Von jedem Mann wurde erwartet, dass er seine Pflicht tut, Sir«, sagte Sharpe gleichmütig.
    »So war es, und das haben sie getan, aber niemand hat von ihm erwartet, dass er selbst kämpft oder sich eine Kugel einfängt. Der arme Kerl. Er war tapferer, als ich je gedacht habe.«
    Er wandte sich um und betrachtete die Flotte, deren Hecklaternen bereits brannten und die in dem auffrischenden Wind segelte. Nur die Victory war dunkel, kein einziges Licht war dort zu sehen. »Oh, armer Nelson«, lamentierte Chase, »armes England.«
    Sharpe ging hinab ins Lazarett, das so stinkend und blutig wie das auf der Revenant war. Pickering hatte an einem Oberschenkelknochen gesägt, und der Schweiß war von seinem Gesicht in das zerschmetterte Fleisch getropft. Der Patient, ein Stück Leder zwischen den Zähnen, hatte gezuckt, als die Säge in seinem Knochen geknirscht hatte. Zwei Matrosen hatten ihn festgehalten, und weder sie noch der Arzt hatten Sharpe bemerkt, der an ihnen vorbeiging, um die Luke zum Gatt anzuheben, in dem Lord William und Lady Grace vor dem Kampf in Sicherheit gewesen waren.
    Die Unterseite der Luke war mit Blut bespritzt. Lord William lag in dem engen Raum, und in seinem Schädel klaffte ein Loch, durch das eine Pistolenkugel ausgetreten war. Grace saß zitternd, die Arme um die Beine geschlungen, neben der Leiche und schrie fast auf, als die Luke geöffnet wurde, dann erkannte sie erleichtert, dass es Sharpe war, der sich herabfallen ließ.
    »Richard, bist du das wirklich?« Sie brach wieder in Tränen aus. »Sie werden mich hängen, Richard. Sie werden mich hängen, aber ich musste auf ihn schießen! Er wollte mich töten. Ich musste schießen!«
    »Niemand wird dich hängen, Liebling«, sagte Sharpe. »Er ist an Deck gestorben. Jeder wird denken, er ist an Deck gestorben.«
    »Ich musste es tun!«, jammerte sie.
    »Die Franzosen haben es getan.« Sharpe nahm ihr die Pistole ab und steckte sie ein. Dann legte er die Hände unter Lord Williams Achseln und hob ihn auf, versuchte, die Leiche durch die Luke zu bugsieren, doch sie ließ sich nicht
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