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Sharpes Trafalgar

Titel: Sharpes Trafalgar
Autoren: Bernard Cornwell
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angespannt. Er schob einen Mann mit dem Entermesser beiseite und stieg durch den hinteren Niedergang zum Lazarett hinab.
    Er wünschte, er wäre nicht hinabgestiegen, denn unten gab es Dutzende blutende und sterbende Männer. Dies war das Königreich des Todes, dieser blutige Bauch des Schiffes, der Platz, an dem die Schwerverwundeten unter dem Messer des Arztes stöhnten und wo für viele aller Wahrscheinlichkeit nach die Ewigkeit wartete. Es roch nach Blut und Exkrementen, Urin und Verzweiflung. Der Arzt, ein weißhaariger Mann mit Blutflecken im Bart, blickte von einem Verwundeten auf, dessen Bauchwunde er gerade untersucht hatte. »Verschwinden Sie von hier«, sagte er in gutem Englisch.
    »Halten Sie die Klappe«, knurrte Sharpe. »Ich habe noch keinen Arzt getötet und möchte nicht mit Ihnen anfangen.«
    Der Arzt blickte bestürzt und sagte nichts mehr, als Sharpe weiterging. Er zog an dem Ring der Luke zum untersten Deck und richtete die Pistole hinab in einen von Laternen erhellten, kleinen Raum.
    Ein Mann und eine Frau hielten sich darin auf. Die Frau war Mathilde, und der Mann war Pohlmanns sogenannter Diener, der Mann, der behauptet hatte, Schweizer zu sein, in Wirklichkeit jedoch ein Feind Britanniens war. Über Sharpe, im rauchgeschwängerten Tageslicht, ertönten Hochrufe, als die zusammengefaltete Trikolore der Revenant Joel Chase übergeben wurde. Die Jagd auf den Geist war beendet, das Schiff aufgebracht worden.
    »Hoch«, sagte Sharpe zu Michel Vaillard. »Hoch mit dir!« Sie hatten diesen Mann über zwei Ozeane verfolgt, und Sharpe war noch immer angefressen wegen Vaillards Verrat auf der Calliope.
    Michel Vaillard hob die Hände und spähte durch die Luke. Er blinzelte. Zweifellos konnte er Sharpe erkennen, wusste ihn jedoch nicht einzuordnen. Dann erinnerte er sich, wer Sharpe war, und blitzschnell wurde ihm klar, dass die Calliope wieder zurückerobert worden sein musste. »Sie sind das!« Er klang ärgerlich.
    »Ja, ich bin es. Und jetzt hochkommen! Wo ist Pohlmann?«
    »An Deck«, antwortete Vaillard. Er kletterte die Leiter hinauf, klatschte sich den Staub von den Händen und bückte sich, um Mathilde durch die Luke zu helfen. »Was ist geschehen?«, fragte Vaillard Sharpe. »Wie sind Sie hierhergekommen?«
    Sharpe ignorierte die Frage. »Sie werden hierbleiben, Ma'am«, sagte er zu Mathilde. »Da ist ein Arzt, der Hilfe braucht.« Er stieß Vaillards Arme zur Seite, zog den Rock des Franzosen auseinander und sah einen Pistolengriff. Er zog die Pistole aus der Tasche und warf sie durch die Luke hinab. »Sie kommen mit mir.«
    »Ich bin nur ein Diener«, sagte Vaillard.
    »Sie sind ein Stück verräterische französische Scheiße«, sagte Sharpe. Er schob Vaillard vor sich her zum Unterdeck, wo die großen Geschütze, heiß wie Kochtöpfe auf einem glühenden Herd, jetzt verlassen waren. Nur die französischen Toten und Verwundeten waren zurückgeblieben, und ein Dutzend britische Seeleute durchsuchten ihre Taschen.
    Vaillard weigerte sich, weiterzugehen. Er drehte sich zu Sharpe um. »Ich bin Diplomat, Mister Sharpe«, sagte er ernst. Sein Blick war fast freundlich. Er trug einen grauen Rock mit schwarzer Halsbinde auf weißem Hemd. Er wirkte ruhig und zuversichtlich. »Sie können mich nicht töten«, sagte er, »und Sie haben kein Recht, mich gefangen zu nehmen. Ich bin weder Soldat noch Seemann, sondern akkreditierter Diplomat. Sie mögen diese Schlacht gewonnen haben, aber in ein, zwei Tagen wird mich Ihr Admiral nach Cadiz schicken, weil Diplomaten so behandelt werden müssen.« Er lächelte. »Das ist Gepflogenheit, Ensign. Sie sind Soldat und können sterben, aber ich bin Diplomat, und ich muss leben. Mein Leben ist sakrosankt.«
    Sharpe stieß ihn mit der Pistole an und zwang ihn, nach achtern auf die Offiziersmesse zuzugehen. Wie auf der Pucelle war auch hier jedes Schott entfernt worden. Der graue Segeltuchteppich war mit Blut verschmiert. Die großen Fenster waren von den Geschützen der Spartiate zerschossen worden, sodass keine einzige Scheibe mehr übrig war, und die eleganten Sitze der Fensterbänke waren mit Scherben übersät. Sharpe zog eine Tür zur Steuerbordseite auf und sah, dass die Quartiere mit der Offizierslatrine von der Breitseite der Spartiate fast ganz weggeschossen worden waren, sodass sich die Tür zu nichts außer dem Ozean öffnete. Weit entfernt segelten die paar feindlichen Schiffe, die der Schlacht entkommen waren, auf die Küste von Spanien zu.
    »Sie
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