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Sharpes Lösegeld

Sharpes Lösegeld

Titel: Sharpes Lösegeld
Autoren: Bernard Cornwell
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immer wachte er nachts auf, erschüttert von den Erinnerungen an Blut und Schlachten, aber er tröstete sich damit, dass solche Dinge nun endgültig hinter ihm lagen. Er hatte Lucille, er hatte einen Sohn, und mit der Zeit fand er vielleicht sogar Zufriedenheit in diesem Land seiner ehemaligen Feinde.
    Ein Kaninchen klopfte warnend. Nosey knurrte leise, und Sharpe öffnete die Augen, schob das Gewehr vor und wartete.

    Lucille fütterte Patrick. »Fast zwei Jahre alt!«, sagte sie zu dem Jungen und kitzelte ihn unter dem Kinn.
    »Groß für sein Alter«, sagte Marie, ihre Haushälterin. »Wenn er erwachsen ist, wird er Soldat wie sein Vater.«
    »Lieber Gott, nur das nicht«, erwiderte Lucille und bekreuzigte sich.
    »Wo ist Papa?«, wollte Patrick wissen.
    »Er schießt Füchse«, antwortete Lucille und schob ihm einen Löffel Haferbrei in den Mund.
    »Peng!«, rief Patrick und versprühte den Brei über den Tisch.
    »Patrick Lassan!«, schalt Lucille ihn.
    »Lassan?«, fragte Marie. »Nicht Castineau? Nicht Sharpe?«
    »Lassan«, sagte Lucille mit Nachdruck. Lucilles Mädchenname war Lassan gewesen, dann hatte sie einen Kavallerieoffizier namens Castineau geheiratet, der für Frankreich in Russland geblieben war, und lebte nun mit Sharpe zusammen. Die Dörfler, die zu Recht vermuteten, dass Lucille und ihr Engländer nicht verheiratet waren, wussten nie, ob sie Lucille mit Mademoiselle Lassan, Witwe Castineau oder Madame Sharpe anreden sollten. Lucille war es egal, wie man sie nannte, doch sie war entschlossen, ihren Familiennamen an die nächste Generation weiterzugeben, und daher hieß ihr Sohn – Sharpes Sohn – Patrick Lassan. Sharpe kümmerte es nicht. »Such du den Nachnamen aus«, hatte er zu Lucille gesagt, »ich bestimme den Vornamen«, und aus diesem Grund war der Junge nach einem irischen Sergeant benannt, der heute in Dublin ein Wirtshaus betrieb.
    Lucille zuckte erschrocken zusammen, als auf dem Hof die alte Glocke läutete und verkündete, dass jemand vor dem Haupttor stand. »Wer könnte uns so früh aufsuchen?«, fragte sie.
    »Der Priester?«, überlegte Marie und nahm einen Schal vom Haken hinter der Tür. »Er will bestimmt sein Brennholz.« Sie legte sich den Schal um die schmalen Schultern. »Und ganz egal, wie früh wir haben, Madame – sein Glas Calvados möchte er auch.« Als sie auf den Hof trat, ließ sie einen kalten Windstoß herein, und Lucille nahm instinktiv Patrick in die Arme.
    »Peng«, machte der Junge wieder. Für ihn war der Anblick des verspritzten Breis das Risiko wert, ausgeschimpft zu werden, doch Lucille war zu abgelenkt, um seine kleine Untat zu bemerken. Sie dachte, dass es Pater Defoy nicht ähnlich sähe, so früh aufzutauchen, und ein Instinkt veranlasste sie, Patrick auf sein Stühlchen zu setzen und zum Ofen zu gehen. Sie wollte nach dem Gewehr greifen und bemerkte erst in diesem Moment, dass die Waffe fort war.
    Sie hörte, wie sich das Tor quietschend öffnete und eine gedämpfte Männerstimme erklang. Plötzlich stieß Marie einen empörten Schrei aus, der abrupt abbrach. Lucille rannte zu dem Schrank, wo Richard seine anderen Waffen aufbewahrte, doch ehe sie auch nur den Schlüssel umdrehen konnte, flog mit einem Knall die Küchentür auf, und ein großer Mann mit einem Gesicht wie aus zerkratztem Leder stand in der Öffnung. Sein Atem bildete Nebel in der kalten Luft.
    Gemächlich hob er eine Pistole, bis sie zwischen Lucilles Augen zielte, dann spannte er genauso langsam mit dem Daumen den Hahn. »Wo ist der Engländer?«, fragte er mit gelassener Stimme.
    Lucille antwortete nicht. Sie konnte sehen, dass im Hof noch mehr Männer waren.
    »Wo ist der Engländer?«, fragte der hochgewachsene Mann wieder.
    »Papa Füchse schießen!«, erklärte Klein-Patrick hilfsbereit. »Peng!«
    Ein kleiner Mann mit Brille schob sich an dem Kerl mit der Pistole vorbei. »Kümmern Sie sich um Ihr Kind, Madame«, befahl er Lucille und trat beiseite, damit seine fünf zerlumpten Gefolgsleute in die Küche kommen konnten. Patrick, der endlich begriff, dass seine heile Welt in Trümmer ging, begann zu weinen. Bei seinen durchdringenden Schreien verzog der kleine Mann gequält das Gesicht. Er war der Einzige unter den Fremden, der keine Pistole trug, und der Einzige, dessen Gesicht keine langen Zöpfe umgaben. Der letzte Mann, der in die Küche kam, zerrte Marie aus der Kälte mit und stieß sie grob auf einen Stuhl.
    »Wer sind Sie?«, herrschte Lucille den kleinen Mann
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