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Shannara II

Titel: Shannara II
Autoren: Terry Brooks
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ändern. Er mußte einen anderen Weg finden, sich mit dem auszusöhnen, was geschehen war. Und er glaubte, diesen Weg jetzt zu kennen. Der Besuch bei ihr war der erste Schritt.
    Dann stand sie vor ihm. Klar und scharf hob sich der Ellcrys vor dem Blau des mittäglichen Himmels ab. Der schlanke silberne Stamm und die blutroten Blätter waren von flirrendem Sonnenlicht umspielt. Tränen traten ihm in die Augen, als er dieses herrliche Geschöpf vor sich sah.
    »Amberle…« flüsterte er.
    Elfenfamilien drängten sich am Fuß des Hügels, auf dem sie stand, und betrachteten ehrfürchtig den Baum. Wil Ohmsford zögerte, dann gesellte er sich zu ihnen.
    »Siehst du, er ist wieder gesund«, sagte gerade eine Mutter zu dem kleinen Mädchen. »Die Krankheit ist besiegt.«
    Und ihr Land und ihr Volk sind wieder in Sicherheit, fügte Wil stillschweigend hinzu. Weil Amberle sich für sie geopfert hatte. Er holte tief Atem, während er zu dem Baum aufblickte. Sie hatte es so gewollt - nicht nur, weil sie es für notwendig gehalten hatte, sondern weil sie schließlich davon überzeugt gewesen war, daß dies der Sinn ihres Daseins auf der Erde war. Man muß der Erde etwas von dem zurückgeben, was man von ihr bekommen hat! Sie hatte ihr alles zurückgegeben.
    Er lächelte traurig. Doch sie hatte nicht alles verloren. Indem sie zum Ellcrys geworden war, hatte sie eine ganze Welt gewonnen.
    Amberle.
    Wil blickte noch einen langen Augenblick zu ihr auf, dann wandte er sich ab und ging langsam davon.
     
    Er war gerade durch das Tor hinausgegangen, als er Eretria entdeckte. Sie stand etwas abseits von dem Pfad, der aus der Stadt heraufführte, und blitzend traf der Blick ihrer dunklen Augen den seinen. Statt der leuchtenden Seide der Fahrensleute trug sie jetzt die gewöhnlichen Gewänder der Elfen. Und doch war nichts an Eretria gewöhnlich. Sie war jetzt noch so atemberaubend schön wie damals, als Wil sie das erste Mal gesehen hatte. Das lange schwarze Haar, das ihr in Locken über die Schultern floß, schimmerte im Sonnenlicht, und das vertraute strahlende Lächeln erhellte ihr Gesicht, als sie seiner ansichtig wurde.
    Stumm trat er zu ihr und lächelte.
    »Du siehst wieder wie ein ganzer Mensch aus«, bemerkte sie leichthin.
    Er nickte. »Das habe ich dir zu verdanken. Du hast mir wieder auf die Beine geholfen.«
    Ihr Lächeln vertiefte sich bei dem Kompliment. Jeden Tag in der vergangenen Woche war sie bei ihm gewesen - hatte ihm zu essen gegeben, seine Wunden frisch verbunden, ihm Gesellschaft geleistet, wenn er Ansprache brauchte, ihn allein gelassen, wenn sie gemerkt hatte, daß er das Alleinsein brauchte. Seine Genesung, sowohl körperlich als auch seelisch, war zum großen Teil ihrer Fürsorge zu danken.
    »Man hat mir gesagt, du seist ausgegangen.« Sie warf rasch einen Blick zum Garten des Lebens. »Ich hatte keine Mühe, mir zu denken, wohin du gegangen warst. Da hab’ ich mir gedacht, daß ich dir nachgehen und auf dich warten könnte.« Mit einem fröhlichen Lächeln sah sie ihn an. »Nun, hast du jetzt alle Geister zur Ruhe gelegt?«
    Wil sah die Sorge in ihren Augen. Sie verstand besser als jeder andere, was ihm durch den Verlust Amberles angetan worden war. Sie hatten in den Stunden, die sie bei ihm zugebracht hatte, unablässig darüber gesprochen. Geister hatte sie all die sinnlosen Schuldgefühle genannt, die ihn gequält hatten.
    »Ja, ich glaube, sie ruhen jetzt«, antwortete er. »Es war gut, daß ich hierher gekommen bin. Mit der Zeit wird es vielleicht…«
    Er zuckte lächelnd die Schultern.
    »Amberle war der Überzeugung, daß man der Erde etwas schuldet für das Leben, das sie einem gegeben hat. Sie hat mir einmal erklärt, diese Überzeugung sei ein Teil ihres Elfenerbes. Und auch mein Erbe wollte sie, glaube ich, damit sagen. Weißt du, sie hat in mir immer mehr den Heiler als den Beschützer gesehen. Ein Heiler sollte ich sein. Denn der Heiler begleicht einen Teil seiner Schuld an die Erde dadurch, daß er jenen hilft, die sie hegen und pflegen. Das ist also meine Gabe an die Erde, Eretria.«
    Sie nickte ernst. »Dann kehrst du nach Storlock zurück?«
    »Erst heim, nach Shady Vale, dann nach Storlock.«
    »Bald?«
    »Ich denke schon. Ich denke, es ist Zeit.« Er räusperte sich befangen. »Weißt du, daß Allanon mir den Rappen - Artaq - hinterlassen hat? Als Geschenk. Zum Trost vielleicht.«
    Sie wandte das Gesicht ab.
    »Ja, vielleicht. Können wir jetzt zurückgehen?«
    Ohne auf seine Antwort zu
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