Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Shannara II

Titel: Shannara II
Autoren: Terry Brooks
Vom Netzwerk:
ihm hinunter. Wil wartete. Langsam hob der Druide beide Hände und streifte die Kapuze ab.
    »Allanon?« flüsterte Wil bestürzt.
    Haar und Bart des Druiden, einst kohlschwarz, waren von grauen Strähnen durchzogen. Allanon war gealtert.
    »Das ist der Preis, den man bezahlt, wenn man sich zauberischer Kräfte bedient.« Allanons Lächeln war dünn und spöttisch. »Diesmal, fürchte ich, habe ich mich ihrer allzu ausgiebig bedient; es raubte mir mehr, als ich zu geben bereit war.« Er zuckte die Schultern. »Jedem von uns ist nur ein bestimmtes Maß an Lebenskraft gegeben, Talbewohner - nur so viel und kein Quentchen mehr.«
    »Allanon«, rief Wil leise. »Allanon, es tut mir leid. Geht noch nicht.«
    Allanon schob die Kapuze wieder über den Kopf und umfaßte Wils Hände mit den seinen.
    »Es ist Zeit für mich zu gehen. Wir brauchen beide Ruhe. Schlaf wohl, Wil Ohmsford. Versuche, nicht schlecht von mir zu denken; ich glaube, daß Amberle es auch nicht tut. Such deinen Trost in diesem: Du bist ein Heiler, und Aufgabe eines Heilers ist es, Leben zu erhalten. In dieser Sache hast du genau das getan - du hast den Elfen und dem Westland das Leben erhalten. Und wenn auch Amberle dir verloren scheint, so bedenke doch, daß du sie immer in der Erde finden kannst. Berühre die Erde, und Amberle wird bei dir sein.«
    Er glitt davon in die Dunkelheit und drückte die Flamme der Kerze aus.
    »Geht nicht«, rief Wil schläfrig.
    »Leb wohl, Wil.« Die tiefe Stimme schwebte auf Nebelschwaden. »Sag Flick, daß er recht gehabt hat mit seiner Mahnung über mich. Das wird ihn freuen.«
    »Allanon«, murmelte Wil noch einmal leise, dann war er eingeschlafen.
     
    So still wie die Schatten der Nacht glitt der Druide durch die dämmrig erleuchteten Gänge des Hauses der Elessedils. Leibgardisten bewachten diese Korridore, Elfen-Jäger, die in der Schlacht am Elfitch gekämpft und sie überlebt hatten, harte Männer, die sich so leicht nicht rühren ließen. Doch Allanon wichen sie; der Blick des Druiden gebot es ihnen.
    Wenig später stand er im Schlafgemach des Elfenkönigs. Kerzenlicht erleuchtete den Raum mit gedämpftem, milden Licht, das durch die Dunkelheit in Ecken und verborgene Nischen sickerte. Die Fenster waren geschlossen, die Vorhänge zugezogen. Es war sehr still.
    Auf dem breiten Bett am anderen Ende des Zimmers lag Eventine, in Verbände und Leintücher gehüllt. In einem hochlehnigen Rohrstuhl an seiner Seite schlummerte unruhig Andor Elessedil.
    Stumm trat Allanon an das Fußende des Bettes. Der alte König schlief. Langsam und röchelnd ging sein Atem, und seine Haut hatte die Farbe von Pergament. Das Ende seines Lebens war nahe. Das Ende eines Zeitalters, dachte der Druide. Nun würde bald keiner von ihnen mehr sein, keiner von denen, die gegen den Dämonen-Lord gekämpft und die Suche nach dem geheimnisvollen Schwert von Shannara miterlebt hatten. Nur die Ohmsfords waren noch da, Shea und Flick.
    Ein grimmiges Lächeln der Ironie flog über Allanons Lippen. Und er selbst natürlich. Er war noch da. Er war immer da.
    Unter den leinenen Decken regte sich Eventine Elessedil. Jetzt ist es soweit, sagte sich Allanon. Zum ersten Mal in dieser Nacht zeigte sich ein Hauch von Bitterkeit in seinen harten Zügen.
    Schweigend und lautlos zog er sich in die bergenden Schatten im Hintergrund des Raumes zurück und wartete.
    Mit einem Ruck fuhr Andor Elessedil aus dem Schlaf. Mißtrauisch flog sein Blick durch das leere Schlafgemach, nach Gespenstern forschend, die nicht da waren. Ein beängstigendes Gefühl des Alleinseins überkam ihn. So viele, die hätten hier sein sollen, waren nicht mehr - Arion, Pindanon, Crispin, Ehlron, Tay, Kerrin. Alle waren sie tot.
    Schwer ließ er sich wieder in den Korbsessel sinken. Wie lange, fragte er sich, hatte er geschlafen? Er wußte es nicht. Gael würde bald kommen und Speise und Trank mitbringen. Gemeinsam würden sie dann an der Seite des Königs weiterwachen. Und warten.
    Erinnerungen quälten ihn; Erinnerungen an seinen Vater, an das, was gewesen war, Geister der Vergangenheit, Bilder von Zeiten und Orten und Ereignissen, die für immer vergangen waren. Bittersüß waren die Erinnerungen, die ihm gemeinsames Glück ins Gedächtnis riefen, aber auch die Vergänglichkeit solchen Glücks. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn ihn die Erinnerungen in dieser Nacht verschont hätten.
    Er mußte plötzlich an seinen Vater und Amberle denken. Sie waren einander ganz besonders nahe gewesen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher