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Shakespeare erzählt

Shakespeare erzählt

Titel: Shakespeare erzählt
Autoren: Michael Köhlmeier
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seines Freundes Horatio. Der Freund möchte den Freund nicht überleben. Aber Hamlet verbietet Horatio, sich das Leben zu nehmen. »Du sollst leben«, das sind seine letzten Worte, »damit du der Welt von mir erzählen kannst.«
    Die Gerüchte, die Spekulationen aber bleiben. Und sie nehmen kein Ende. Bis heute nicht.

Nachbemerkung
    Zweien würde ich gern im wirklichen Leben begegnen: dem Lear und der Rosalinde aus Wie es euch gefällt. – Aber ich begegne ihnen ja, jeden Morgen, wenn ich in den Spiegel schaue!
    Das zu behaupten ist vermessen! Und abgedroschen. Und am Beginn des 21. Jahrhunderts außerdem eine Binsenweisheit: Jeder Mensch trägt all diese wunderbaren, grauenhaften, irritierenden, gefühlskalten, in ihren Gefühlen kochenden, lächerlichen, lustigen, traurigen, eloquenten, witzigen, dummen Figuren in sich, einen Hamlet ebenso wie einen Timon, die Julia wie die Helena aus Ende gut, alles gut, Macbeth, Jago, Leontes, Zettel, Brutus …
    Ja, es gibt Leute, die das glauben. Die sagen: »Diese Vielfalt liegt verschüttet in jedem von uns.« Was immer das auch heißen mag. Die Seele ist mangels Stofflichkeit schon mit allem möglichen verglichen worden, warum nicht auch mit einem Bergwerk. Wenn es aber stimmt, daß Shakespeare nichts anderes getan hat, als diese verschütteten Schätze zu heben, dann ist auch richtig, was Harold Bloom, Enthusiast und Shakespeare-Kenner wie kein anderer, behauptet, nämlich: daß Shakespeare uns neu erfunden hat. Ohne die Bergwerksarbeit dieses größten aller Dichter wären wir nicht die, die wir sind.
    Tatsächlich erscheinen die Figuren der Weltliteratur vor Shakespeare blaß und relativ unabhängig von uns. Das heißt, sie kommen uns gerade deshalb so blaß vor, weil sie ein von uns unabhängiges Leben führen. Ein literarisches Leben eben. Die Figuren nach Shakespeare aber lassen sich alle auf Shakespearesche Grundmuster zurückführen – wie auch anders: Der Meister hat den Berg ausgebeutet bis auf den letzten Stein.
    Also läßt sich zusammenfassen: Shakespeare hat den Menschen und in der Folge die Literatur neu erfunden.
    Dem möchte ich nichts hinzufügen.

 
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