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Sex and the Office

Sex and the Office

Titel: Sex and the Office
Autoren: Eva Sternberg
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Salz in die Wunde zu streuen?
    »Stimmt was nicht?«, fragte ich, als ich registrierte, dass er mich aus dem Augenwinkel musterte.
    »Es ist nur …«
    »Ja?«
    »Ach nichts«, meinte er und schob seinen Postwagen im vierten Stock aus dem Aufzug. »Alles Gute, Charly.«
    »Dir auch«, murmelte ich. Worauf Tobi auch immer angespielt hatte, ich wollte es nicht wissen und fuhr weiter in den sechsten Stock. Erhobenen Hauptes betrat ich die Redaktion und grüßte hier und da einen ehemaligen Kollegen, während ich zielstrebig auf das Büro von Leon Wenzel zusteuerte. Glücklicherweise war Franziska nicht an ihrem Platz, so dass mir wenigstens ihr geheucheltes Mitleid erspart blieb.
    Ich hatte mein Kommen telefonisch angekündigt, um sicherzugehen, dass Leon Wenzel mein Praktikumszeugnis bereits ausgestellt hatte. Die Tür zu seinem Büro stand offen. Leon Wenzel saß auf seinem Chefsessel. Die Füße auf dem Schreibtisch überkreuzt, blätterte er in einer Ausgabe der GQ . Als ich an die offen stehende Tür klopfte, nahm er die Füße vom Tisch. »Charlotte, wie schön, Sie zu sehen.« Er machte sich nicht die Mühe aufzustehen, sondern deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. »Setzen Sie sich doch.« Obwohl ich es vorzog zu stehen, nahm ich geduldig Platz und hörte mir abermals an, welch ein tragischer Verlust meine Abwesenheit doch für die Redaktion sei. Nachdem Leon Wenzel seine Ansprache beendet hatte, nahm er mein Praktikumszeugnis aus der Schreibtischschublade und streckte es mir entgegen. »Ich hoffe, die Beurteilung hilft Ihnen, schnell etwas Neues zu finden«.
    »Mir wäre eine Anstellung lieber«, hörte ich mich in Gedanken sagen.
    »Danke, das weiß ich zu schätzen«, sagte ich stattdessen und warf einen Blick auf das Zeugnis. Immerhin hatte sich der Weg gelohnt – dieses Zeugnis war die reinste Lobeshymne. Und einmal mehr fragte ich mich, weshalb die Wahl ausgerechnet auf eine Intelligenzbestie wie Franziska gefallen sein konnte. »Wie schlägt sich Franziska Neumann eigentlich so?«, erkundigte ich mich beiläufig.
    Er holte tief Luft. »Soweit ganz gut.«
    Ich nickte schwach. Das war nicht unbedingt das, was ich hören wollte.
    »Bedauerlicherweise hat sie sich seit einiger Zeit krankgemeldet.«
    Ausgerechnet die Aerobic-Ziege? Höchst verdächtig, denn ich hatte sie vor Kurzem noch im Bauch-Beine-Po-Kurs gesehen. Ich hatte einen großen Bogen um sie gemacht, seltsamerweise aber das Gefühl gehabt, dass sie mir ebenfalls aus dem Weg gegangen war. Da war kein triumphierendes Grinsen gewesen. Kein einziger gehässiger Spruch. Selbst die gewohnt herablassenden Blicke waren ausgeblieben. So kannte ich Franzi gar nicht. Aber auch das ging mich nichts mehr an. Ich verabschiedete mich von Leon Wenzel und verließ sein Büro. Im Vorbeigehen blickte ich mit einem Anflug von Wehmut zu meinem ehemaligen Schreibtisch, auf dem Ulrike Burbach in diesem Moment einen Stapel Mitschnitte diverser Beiträge ausschüttete und im schon vertrauten Befehlston anordnete: »Die hier müssen bis zum Mittag sortiert sein!« Die schüchtern dreinblickende Praktikantin, schätzungsweise Anfang zwanzig, mit ins Gesicht gekämmten braunen Haaren, als wollte sie sich darunter verstecken, machte sich sogleich an die Arbeit.
    Wie ich sie so an dem Schreibtisch sitzen sah, kam mir das ominöse Kuvert in den Sinn, das ich dort gefunden hatte. Ich hatte bis heute nicht herausgefunden, was es mit der darin befindlichen Nachricht Du weißt, was zu tun ist sowie den Scheinen auf sich hatte, und in meiner Neugierde entschied ich, Leon Wenzel nun doch darauf anzusprechen, bevor ich die Redaktion auf Nimmerwiedersehen verlassen würde. Ich marschierte zurück zu seinem Büro. Die Tür war nur angelehnt, und ich hatte die Hand schon zum Klopfen gehoben, da hörte ich, wie er mit den beiden anderen Praktikanten sprach. Anstatt zu gehen, blieb ich wie angewurzelt stehen und spitzte die Ohren. Was ich zu hören bekam, veränderte alles. Das darf doch nicht wahr sein! Völlig aufgelöst stand ich da und hörte mit an, wie Leon Wenzel den Neuankömmlingen ein Volontariat in Aussicht stellte, wenn sie nur hart genug arbeiteten. Was zum …? Mit flatternden Nerven lief ich auf das Büro des Personalleiters zu; möglicherweise hatte ja Benno Siebert eine Antwort auf das alles.
    Als ich an die Bürotür am anderen Ende des Flurs klopfte, öffnete niemand. Anscheinend war der Personalleiter bereits zu Tisch gegangen. Ich vergewisserte mich mit einem
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