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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen
Autoren: Sabine Werz
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schamvoll verschweigen, was der Adel auf der Hintertreppe trieb.
    Unter Fußnotenapparaten wird mitunter begraben, was Geschichte lebendig macht: spannende Geschichten, persönliche Tragödien und charakterliche Fehlleistungen, die die Weltgeschichte ebenso prägten wie königliche Dekrete, Reichskonkordate und Gesetzesurkunden. Wer erfährt, dass der Stauferkaiser Friedrich Barbarossa im reifen Alter von 40 Jahren eine 13-Jährige ehelicht und als 68-Jähriger bei seinem dritten Kreuzzug gen Orient in einem Fluss ertrinkt, um hernach gemäß royaler Sitte in Essig konserviert zu werden, entwickelt schnell Interesse an Vergangenheit und Geschichte. Und das geht dann über Merksätze wie »333 bei Issos Keilerei« hinaus.
    Ohne Daten und Fakten, ohne seriöse zeit- und sozialgeschichtliche Einbettung kommt man freilich nicht weiter, oder man fällt auf uralte Gerüchte herein.
    Wenn es in diesem Buch vor allem um Sex and Crime geht, um Leidenschaften und Verbrechen auf und hinter einigen Königsthronen, dann aus gutem Grund: Man muss Europas verblichene Monarchen weder staubtrocken abhandeln, noch künstlich unterhaltsam oder spannend machen: Sie sind es, und sie liefern Stoff und Gründe genug, sich eingehend mit ihnen zu befassen, ob man sie nun mag oder nicht.
    Unser Besuch bei Königs und im royalen Machttheater beginnt an Englands Tudorhof, der für Königinnen und Mätressen lebensgefährlich war, und führt sodann in das niederländische Schloss eines deutschen Freiheitskämpfers, der eine Königsdynastie begründete. Der eine gilt als monströser Tyrann, der andere ist noch heute ein viel besungener Tyrannenschreck.
    Wir schauen in die Gerüchteküchen ihrer Paläste und bekommen Deftiges vorgesetzt. Von ihnen, über sie und über diverse Thron- und Kronkollegen ihrer und anderer Epochen. Alle auftretenden Herrscherfiguren sind Meister der Selbstdarstellung, Freunde und Opfer von Klatsch, und dennoch regieren ihre Nachfahren noch heute und sind Teil des Mythos einer gottgewollten und für die Ewigkeit gedachten Monarchie.
    Also ad fontes, wie die Humanisten im 15. Jahrhundert zu sagen pflegten – an die Quellen.

»Bluff Henry the Eight to six spouses was wedded,
One died, one survived, two divorced, two beheaded«
    Englischer Abzählreim

H einrich VIII. – englischer König von 1509 bis zu seinem Tod im Jahr 1547 – zählt zu den Monarchen, die selbst eingefleischte Geschichtsmuffel kennen. Na, Sie wissen schon, der mit den sechs Frauen, von denen er zwei in die Wüste schickte und zwei köpfen ließ. Der Dicke. Ein geborener Tyrann. Ist er das?
    Tatsächlich bringt der Tudorherrscher am Ende seines 55-jährigen Lebens 160 Kilo auf die Waage. Ein königlicher Koloss, der nur noch im Rollstuhl und mit dem ersten Treppenlift durch seine Paläste zu bewegen ist. Diener müssen seine Hoheit per Hebekran aus dem Bett hieven. Wenige Wochen vor seinem Tod spielt der notorische Blaubart noch einmal mit dem Gedanken, auch seine letzte Ehefrau Katherine Parr unters Beil zu schicken. Wegen angeblichen Hochverrats.
    Gattin Nummer sechs hat zart ein paar religiöse Widerworte gewagt, außerdem ist Heinrichs Herz für eine ihrer Hofdamen entflammt. Die weibliche Entourage seiner Königinnen ist von jeher sein Jagdrevier für frische Bräute gewesen. Heinrichs eigenes Hinscheiden verhindert den letzten von vielen Justizmorden, die er nicht nur an Ehefrauen, sondern auch an Freunden und Ministern begangen hat.
    Nach 38 Regierungsjahren geht der zweite König der Tudordynastie als Scheidungsweltrekordler, Raffzahn, Vielfraß und Verschwender in die Geschichte ein. Und – so sagen seine zahlreichen Feinde – direkt in die Hölle.
    Dem Königreich England und seinen Kindern, darunter die ebenfalls berühmte Elisabeth I., hinterlässt Heinrich knapp sechzig Schlösser, eine leere Staatskasse und eine neue Kirche. Unter ihm musste ganz England den Glauben wechseln, vom katholischem zum anglikanischen.
    Geschichtsbewanderte Leser erinnern sich schon jetzt: Anstelle des Papstes hat Heinrich sich 1534 selbst zum direkten Stellvertreter Gottes auf Erden ernannt – zumindest auf britischem Boden. Diese Reformation von oben ist seine einzige politische Großtat, die bis heute Bestand hat. Dabei ist sie eine historische Notgeburt aus eher privaten Gründen.
    Der damals zuständige Papst hatte sich über Jahre geweigert, Heinrichs erste Ehe für ungültig zu erklären und aufzulösen. Entnervt macht der König sich mit 43 Jahren
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