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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen
Autoren: Sabine Werz
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Zeitgleich mit dem Abstiegskampf des Systems Adel verlieren Könige außerhalb ihres Palastes die Kontrolle über eigene und erfundene Tratschgeschichten.
    Natürlich gibt es genug echte Sünden und Verbrechen zu vermelden, aber jede Menge Märchen kommen hinzu, in denen sich lang aufgestauter oder akuter Zorn auf Könige und Kaiser entlädt.
    Klatsch, Gerüchte und Verleumdungen sind eben seit Jahrhunderten ein etabliertes Politikmedium der besseren Kreise.
    Heute kann man in Europa kaum noch weltbewegende Gründe für die Sucht nach intimen News über die Noblesse anführen; schließlich liegt das Regierungsgeschäft nicht mehr in ihren Händen.
    Trotzdem leidet so mancher unter der Trockenhaube beim Friseur nach wie vor mit, wenn Caroline von Monaco für ihren schlagfertigen Schirmträger und Prinzen Ernst-August von Hannover als Entlastungszeugin vor Gericht muss. Während der »Prügel-Prinz« (Bildzeitung) unverschämterweise »fremdküsst« (ebenfalls Bild). Freude kommt auf, wenn Caroline beim alljährlichen Rosenball von Monaco nichtsdestotrotz »voll erblüht« (Bunte) oder Prinzessin Victoria von Schweden ihren ehemaligen Fitnesstrainer ehelicht. Live und weltweit übertragen. Nicht nur im Fernsehen, auch bei Ikea – selbst in der Bundesrepublik Deutschland.
    Warum interessiert uns so etwas?

Märchen kommen nicht ohne Könige aus und wir nicht ohne Märchen
    Eine tiefenpsychologische Erklärung für den anhaltenden Bedarf an royalen TV -Bildern und an Vorbildern findet sich bei dem Psychoanalytiker C. G. Jung: Könige und Königinnen gehören als Archetypen (Urbilder) zur Grundausstattung unseres Seelenlebens und unseres zeitlosen kollektiven Unbewussten. Genau wie der Traum vom gelingenden, heilen Leben und von der Rückkehr in ein Paradies.
    Wir alle sind unserem Wesen nach Glückssucher. Als Wegweiser dienen die großen Weisheitsbücher, Märchen, Mythen und Religionen der Menschheit. Ohne ideale, zumeist königliche Hauptdarsteller, deren Leben – allen Fährnissen, Drachen, Dämonen und Versuchungen zum Trotz – von Erfolg gekrönt ist und zum Heilsein führt, kommen sie nicht aus. Und wir nicht ohne mythische Bilder und königliche Archetypen.
    Der Traum vom gelingenden und überdies gottgefälligen Leben hat reale Monarchen und Menschen über Epochen hinweg geeint. Mythische, christlich unterlegte Erzählungen wie die vom König Artus und seiner Tafelrunde hatten genügend Wirkungsmacht, um mittelalterliche Könige und Kreuzritter zu Ausflügen in unwegsame, gefährliche Gebiete und Kämpfe zu locken. Auf der Suche nach weltlichem Glück und nach dem Heiligen Gral. Die Gnadenverheißung trieb die Kreuzfahrer ebenso an wie die Gier nach den sagenumwobenen Schatzkammern der Kalifen. Von märchenhaftem Glück werden auch die schwäbischen und bayerischen Bauern geträumt haben, die im 12. und 13. Jahrhundert als Siedler in die neu gegründeten Kreuzfahrerstaaten des Morgenlandes gelockt wurden.
    Falls die Artussage und andere Heldenepen dem Volk zu Ohren kamen, werden sie die urmenschliche Hoffnung auf eine weise Herrschaft und großzügige Monarchen genährt haben. In Volksmärchen machte sich das Volk seinen eigenen Reim auf ideale und weniger weise Könige, gute und böse Königinnen.
    Im Zweifelsfall wandte und wendet man sich an die als Himmelskönigin verehrte Maria und an den Allmächtigen auf dem Himmelsthron, zu dessen Rechten Jesus Christus mit der Dornenkrone sitzt. Königliche Ursymbole verleihen unseren christlichen und vielen anderen Gottesvorstellungen nach wie vor Wirkungsmacht bis in die tiefsten Schichten der Seele hinein.
    George Bernhard Shaw fasste das Phänomen Royalität eher satirisch zusammen: »Kings are not born; they are made by artificial hallucination.« Zu Deutsch: Könige werden nicht geboren, sie werden durch künstliche Halluzination geschaffen. So kann man es natürlich auch sehen.
    Oder so wie ein katholischer Land- und Armenpfarrer aus der Zeit des alles überstrahlenden französischen Sonnenkönigs: »Die Menschheit wird erst dann glücklich, wenn der letzte König mit den Gedärmen des letzten Priesters erwürgt worden ist.«
    Oder so: »Königtum – glauben Sie! – ist eine Religion. Ein König glaubt an sich, oder er ist es nicht«, beschwor 1866 Richard Wagner voll Pathos und mit psychologischem Geschick seinen wichtigsten Mäzen Ludwig II., als der von Abdankung sprach. Der bauwütige Bayernkönig und der Nibelungen-Komponist waren bekanntlich beide den
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