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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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Liebestränke mixen, um le Roi zu halten, der seine Blicke verdächtig schweifen lässt.
    Etwa in Richtung einer Madame Angélique de Fontanges. Die bekommt tatsächlich ein Kind von ihm und stirbt kurz darauf verdächtig plötzlich, finden die Hobby-Klatschreporter von Versailles. Die Montespan muss sich in billigere Gemächer zurückziehen, fernab vom König, der für die Favoritinnenrolle längst eine bessere Besetzung im Auge hat. Heute gilt als wahrscheinlicher, dass der aufregende Rotschopf Angélique Fontanges nicht den Giften der Mätresse, sondern einer Brustfellentzündung erlegen ist. Unsterblich geworden ist sie in den Angélique -Romanen von Anne Golon, denen sie als (lebenstüchtiges) Vorbild diente.
    Die in den Tagen des Sonnenkönigs aufbrandende Klatsch- und Quellenflut ist für Romanautoren unerschöpflich und für Historiker kaum zu bewältigen. Vieles wird nach wie vor überprüft, neu gedeutet, manches wird verworfen. Die in diesem Buch vorgestellten Versionen bekannter Histörchen sind ebenfalls nicht das amtliche Endergebnis, sondern eine Auswahl gängiger und weniger gängiger Spekulationen.
    Die Fülle des Rohmaterials aus der Epoche des Absolutismus verdankt sich einer kulturellen Weiterentwicklung. Schreiben ist an Höfen wie Versailles endgültig Mode und ein unverzichtbares Accessoire adliger Lebenskultur geworden. Allein die deutsche Liselotte von der Pfalz, die Schwägerin des Sonnenkönigs, hinterlässt 60.000 Briefe meist pikanten Inhalts. Im damaligen Paris kursieren erste Klatschmagazine aus adliger Feder, die man begierig liest. Höflinge verfassen Memoiren, in denen sie Staatstragendes farbig mit erotischen und intimen Details aus dem royalen Leben mischen. Das Ganze dient wie immer nicht nur dem gepflegten Zeitvertreib.
    Wer gerade was mit wem treibt, dient in Versailles (und anderswo) als Handlungsanweisung und bestimmt den eigenen Terminkalender. Le Roi schielt Madame X ins Dekolleté? Parbleu! Sollte man der Dame vielleicht die Aufwartung machen, um sich günstig zu positionieren? Gilt es, ihr Liebhaber anzudichten oder in Paris tatsächlich wegen eines Pülverchens vorzufühlen, um sie und ihre Familie aus dem Rennen zu werfen?
    Weitere lebenswichtige Fragen: Gibt es eine Möglichkeit, über Favorit Y oder Günstling X einen Posten, Einfluss, Militärhilfe zu erlangen oder ein Politziel zu erreichen?
    Für rein sensationslüsterne Schnüffler haben sich die männlichen und weiblichen Klatschmäuler nicht gehalten. Weder die Mätressen des Sonnenkönigs noch seine intimsten Verrichtungen sind geheime Privatsache. Der Sonnenkönig inszeniert sich und seine Königswürde im selbst gebauten Machttheater zu Versailles in Vollendung, und alle spielen mit. Dem gottgesalbten Roi beim familiären Mittagsmahl zuzuschauen ist eine Ehre, ihm beim faire la merde zur Hand gehen zu dürfen eine Auszeichnung. Gut betuchte Adlige zahlten hohe Summen dafür, mit hinter den Wandschirm schreiten zu dürfen, wo le cabinet wartete.
    Es gilt nach wie vor die Vereinbarung: Alles, was ein König tut, gehört in die Sphäre des halb Menschlichen, halb Göttlichen, und die Untertanen müssen nehmen, was der Himmel schickt. Umtausch bei Nichtgefallen ausgeschlossen, der royale Stand ist von Gott eingesetzt und unantastbar. Die Begründung wird in der Bibel gefunden: Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist. Die Mama von Ludwig XIV. schenkt diesem bei der Geburt nicht nur das Leben, sondern auch den Beinamen Dieudonné (Gottesgeschenk).
    In der mehr als tausendjährigen Geschichte der europäischen Monarchie zweifeln weder Untertanen noch Monarchen am quasi heiligen Amt von Königen. Thron- und Kronrecht sind dem Wesen nach eben erblich bis in alle Ewigkeit, und da kommen sie angeblich auch her. Die Könige und die Blaublüter des Hoch- und Spätmittelalters honorieren Hofgelehrte fürstlich für das Erstellen von Stammbäumen. Manche cleveren Forscher finden – haarscharf an Jesus vorbei – Ahnen aus den Zeiten von Moses. Cäsar ist als weltlicher Ahnvater des eigenen Geschlechts beliebt.
    Der dauerhafte Bestand eines Adelshauses ist damit freilich nicht gesichert. Kann eine Dynastie sich nicht erfolgreich fortpflanzen, etwa wegen Impotenz oder Gebärunfähigkeit, übernimmt eine andere das himmlisch legitimierte Amt.
    Wie verzweifelt Könige und Königinnen sich um legitimen Nachwuchs bemühten und tragisch scheiterten, dafür gibt es Beispiele en masse. Unzählige Königinnen sterben wegen ständigen

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