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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen
Autoren: Sabine Werz
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Schüchternheit, Unsicherheit, beinahe ängstliche Gefallsucht und eine überraschende Prise Zartgefühl.
    All das verrät, was moderne Historiker bestätigen. Der König ist ein widersprüchlicher Charakter und ein zeitloses psychologisches Faszinosum.
    Heinrich ist nicht nur Produkt und Repräsentant der Renaissance. Er ist vor allem der Nachkomme einer Familie, die zu den erstaunlichsten Seiteneinsteigern der englischen Königsgeschichte gehört. Von weit unten, aus der tiefsten Provinz und mit sehr dünnem Blaublut, bringen es die Tudors bis auf Englands Thron. Heinrich VIII., zweiter König der Sippe, sollte seine Abstammung nie vergessen und alles dafür tun, dass niemand sie ihm ansah oder anmerkte.
    Darum wird er zum größten royalen Angeber der Renaissance, zum größten Bauherrn seiner Zeit, zum Verschwender, zum König, der allerhöchstens Gott über sich duldet, und zum Frauenmörder, der verzweifelt geliebt werden will, der aber noch dringender einen Prinzen braucht, um im Gedächtnis der Welt weiterzuleben.
    Sein oberstes Ziel – und das seiner Vorfahren – ist es, den Namen Tudor unsterblich werden zu lassen. Das ist ihnen gelungen. Mit allen Mitteln.

Wie alles anfing: Eine schrecklich nette Familie oder Verwandtenmord hat Tradition
    Um Heinrichs schillernde Doppelnatur und seinen Werdegang vom Prince charming zum blutrünstigen Gruselkönig zu verstehen, muss man einen Ausflug in die Tage der ersten Tudors unternehmen. Ich verspreche, es lohnt sich. Man lernt dabei, wie Macht einen Monarchen formt und wie sie ihn zu einem Monster verformen kann. Bei allen Tudors sind Sex and Crime, Politik und Privates vom Beginn bis zum Erlöschen ihrer Herrschaft und ihrer Dynastie mit Elisabeth I. untrennbar verflochten. Das Leben Heinrichs VIII., seiner Eltern und Nachkommen erinnert weniger an ein Märchen als an eine chinesische Verfluchungsformel: »Ich wünsche dir ein interessantes Leben.« Das hatten sie von Anfang an.
    Wir müssen nicht bis in die Morgendämmerung der britischen Geschichte zurückgehen, um die Tudors kennenzulernen. Die Dynastie ist blutjung. Nur fünfzig Jahre vor der Geburt unseres Kapitelhelden Heinrich VIII. (*1491) ist die Familie das Gegenteil von berühmt, nämlich gänzlich unbekannt und kein bisschen königlich.
    Die Familie stammt aus niederstem walisischen, Schafe züchtendem Adel. Das sollte erst ein gerissener Abenteurer und Frauenbetörer namens Owen Tudor ändern.
    Bevor dieser romantische Stammvater der Tudors und Uropa von Heinrich VIII. die Szene betritt, muss ich Sie mit einem Krieg zwischen zwei anderen Königssippen behelligen. Pardon, aber damals haben wir noch Mittelalter.
    Der bewaffnete Meinungsaustausch ist Ritteralltag. Insgesamt sieben englische Könige des Mittelalters verlieren ihr Leben auf dem Schlachtfeld, der Kampf um die Krone ist Tagesgeschäft. Die Jobbedingungen für den britischen Thron lauten wie folgt: Entweder man hat das Schwert in der Hand oder an der Kehle, entweder man hat die Krone auf dem Kopf oder diesen auf dem Henkersblock. Die Tudors und Heinrich VIII. sollten daraus lernen, wie man das Herrscherhaupt oben behält.
    Im 14. und 15. Jahrhundert wackelt Englands Thron besonders heftig. Kaum hat ein Fürst das edle Sitzmöbel erobert, rebelliert eine andere Adelssippe und beweist mit handfesten Argumenten, dass sie mehr Anspruch auf die Herrschaft und blaueres Blut besitzt.
    So richtig blutig, und das landesweit, wird es zwischen 1455 und 1485. Immerhin tragen diese Kampfhandlungen einen hübschen Namen: die Rosenkriege. Es ist ein dreißigjähriger Krieg, der erst sechs Jahre vor der Geburt von Heinrich VIII. endet.
    Praktischerweise haben die Historiker sich übrigens darauf geeinigt, mit diesem Rosenkrieg auch Englands Mittelalter enden zu lassen. Danach beginnt für Wissenschaftler die britische Neuzeit, und die trägt auf der Insel mit dem Linksverkehr – ja, den gab es dort schon zu Zeiten von Pferd und Kutsche – den Namen die »Tudorzeit«.
    Heinrichs Vorfahre Owen Tudor hat in den Kämpfen am Rande mitgemischt. Die entscheidende Eroberung macht er aber nicht auf dem Schlachtfeld, sondern im Bett. Noch wichtiger: Einer seiner Enkel wird als lachender Dritter und erster Tudorkönig aus den Kriegen hervorgehen: als Heinrich Numero sieben und Papa unseres Kapitelhelden. Und glauben Sie mir, damit hat keiner der adligen Streithähne gerechnet.
    Ich verspreche, mich in Sachen Krieg auf die spannenden, schmutzigen und unterhaltsamen
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