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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen
Autoren: Sabine Werz
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männliche Ausgabe von Cinderella vorstellen. Der Stammvater der Tudor-Monarchie ist ein umwerfend hübscher Abenteurer. Vom einfachen Bogenschützen arbeitet er sich hoch auf einen Dienstbotenposten bei einem Bischof und dann an den Hof. Weil sich niemand seinen folkloristischen Bandwurmnamen Owain ap Maredupp ap Tudur merken kann, dampft er ihn auf das Kürzel Tudor ein.
    Um 1429 wird der gewitzte Waliser als Gewandmeister für die königliche Garderobe erwähnt. Nähen, flicken und ausbürsten dürften zu seinen Pflichten gehört haben. Hinzu kommt gelegentliche Hilfe beim Ankleiden der Royals. In dieser Funktion kann sich der schmucke Exsoldat an die junge Königinwitwe Katharina heranmachen. Diese gebürtige Franzosenprinzessin ist wie er unter dreißig, bildschön und einsam. Ein Fall für den romantischen Abenteurer Owen.
    Wir erinnern uns, dass in der jüngeren englischen Vergangenheit einem schmucken Rittmeister derselbe Coup bei Diana, Prinzessin von Wales, gelang. Auch die war bildschön und einsam, allerdings dummerweise noch nicht Witwe, als sie Reitstunden bei James Hewitt nahm.
    Zurück ins 15. Jahrhundert. Die damalige Königin Katharina ist wie gesagt Witwe und Mutter von Heinrich VI., der noch in den Kinderschuhen steckt. Mutterfreuden scheinen Katharina nicht sonderlich zu interessieren. Die Hofintrigen der Yorks und Lancasters langweilen sie, zumal die Französin kaum ein Wort Englisch versteht. Ihr Sprachschatz reicht gerade aus, um sich mit Liebhabern zu amüsieren. Die Affären sind selbstredend Hochverrat, der Bastardgefahr wegen.
    Wer im Himmelbett der King Mum erwischt wird, muss mit der Höchststrafe rechnen. Und die ist absolut widerwärtig. Hochverräter werden kurz gehängt, dann noch lebend abgeknüpft, fachgerecht aufgeschlitzt, ausgeweidet und kastriert. Organe und Weichteile werden verbrannt, der restliche Körper gevierteilt. Ich beschreibe das in dieser Ausführlichkeit, damit Sie sich einen Begriff davon machen können, was »verbotene Liebe« vor 500 Jahren bedeutete.
    Immerhin: Solange die Königsmama Katharina unter hochadligen Standesgenossen wählt, sagt keiner was. Schon gar nicht die betroffenen Standesgenossen, die gegen einen Bastard mit königsblauem Blut nichts einzuwenden hätten. Schließlich wackelt der Thron gerade ganz schön, und man kann ja nie wissen.
    Der walisische Garderobenangestellte Tudor allerdings – also nein –, der geht als Lover eigentlich gar nicht. Die lebensgefährliche Liebe kommt dennoch zustande. Der Legende nach, wie folgt.
    Katharina erwischt den Niemand namens Owen beim Nacktbaden in der Themse oder in einem Schlossgraben. Was sie sieht, gefällt ihr so außerordentlich, dass sie sich vom Gewandmeister lieber ent- statt bekleiden lässt. Ihrem Untergebenen macht die Sache ebenfalls genug Spaß, um Kopf, Kragen und die edelsten Teile zu riskieren.
    Andere Quellen behaupten, Owen sei bei einem Tanzfest absichtlich gestolpert, um im Schoß der Königsmutter und in der englischen Monarchiegeschichte zu landen. Um es mit dem weisen Shakespeare zu sagen: »Lust verkürzt den Weg.«
    Wie auch immer: Der muskulöse Tudor-Beau, von dem sein Urenkel Heinrich VIII. seine jugendliche Sportlerfigur geerbt haben muss, verdreht der Königin komplett den Kopf. Sie verliebt sich nicht nur, sie heiratet den Tudor sogar heimlich und verlässt den Hof, damit die beiden Turteltauben nicht auffliegen. Ihren Prinzensohn, den kleinen, lammfrommen Heinrich Nummer sechs, lässt sie zurück. Von nun an ist er vater- und mutterseelenallein.
    Katharinas und Owens Verbindung entspringen zwei weitere Söhne. Edmund und Jasper – Nachname ebenfalls Tudor. Aus monarchischer Sicht sind diese Söhne selbstredend illegitim und völlig indiskutabel.
    Als die Königin 1437 stirbt, hinterlässt sie ihren Bastarden … nichts. Außer einer Dosis royalen Blaubluts in den Adern. Mit keiner Silbe sind die Tudors, Owen inklusive, in ihrem Testament erwähnt. Alles geht an Katharinas Lancaster-Buben. Heinrich VI.

Ein König am Rande des Nervenzusammenbruchs
    Das Königssöhnchen ist immer noch allein unter Männern, die sich in seinem Namen um die Macht zanken. Doch weil er inzwischen sechzehn ist, darf er 1437, also im Todesjahr der Mutter, die Regierung übernehmen. Damit ist er auch gleich überfordert. Der junge König, so urteilen Zeitgenossen (noch) höflich, hat zu viel Zartgefühl. Eine dünne Haut kann man im Mittelalter allenfalls hinter dicken Klostermauern schützen;
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