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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen
Autoren: Sabine Werz
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Aspekte zu beschränken. Also auf das, was man sich merken kann. Da es bei den Rosenkriegen um eine Menge Blut, Sex und Tränen geht, hat schon Shakespeare (1564–1616) über diese Epoche seine berühmten Königsdramen von Heinrich Nummer vier bis Richard Nummer drei geschrieben. Natürlich unter Zuhilfenahme dichterischer Freiheit, aber nicht völlig an der Wirklichkeit vorbei.
    Der Autor und begnadete Shakespeare-Übersetzer Urs Widmer beschreibt das Umfeld, in dem sich die letzten Monarchen des Mittelalters bewegen, so: »Alle waren stark und heftig und wollten einen dicken Happen vom Glück ihrer Zeit. Sie aßen und soffen und fickten und töteten, weil sie wussten, dass sie nicht wussten, wie lange sie sich noch am Schicksalsrad festklammern konnten.« Dem ist nichts hinzuzufügen.
    Lediglich unseren Kapitelhelden Heinrich VIII. musste Shakespeare extrem schön- und kluglügen. Aus gutem Grund: Die Hauptauftraggeberin des Dichters war dessen Tochter, Elisabeth I., und die wollte vom Papa nicht nur Nachteiliges hören.
    Seither haben jede Menge Historiker den Aufstieg der Tudors genauer rekonstruiert. Herausgekommen ist dabei ein typisch royales Sitten- und Schlachtengemälde, das zum Gruseln und Staunen einlädt.

Das blutige Erbe der Rosenkriege
    Grob gesagt gibt es im 14. und 15. Jahrhundert in England zwei Königsfamilien. Das Haus Lancaster und das Haus York. Beide sind untereinander verwandt und haben verbriefte Ansprüche auf den Thron. Das liegt daran, dass ihr gemeinsamer Urahne, Edward III. (1312–1377), beängstigend fruchtbar war. Er hinterließ sechs Söhne und damit eine Menge Königsanwärter plus Nachfahren, unter anderem eben den Lancasterclan und den Yorkclan.
    Die eine Sippe führt eine rote Rose (Lancaster), die andere eine weiße Rose (York) im Wappen. Diesen Symbolen verdankt sich der blumige Name »Rosenkriege«. In nur dreißig Jahren werden sich die Yorks und die Lancasters im Kampf um die Krone fast vollständig ausrotten und England an den Rand des Ruins bringen. Kurz: Dieser Bürgerkrieg ist ein Familienschlachtfest und die Hölle.
    Dass die Yorks und die Lancasters so brutal aneinandergeraten, verdankt sich der Schwäche des letzten Lancasterkönigs. Weil Adlige äußerst fantasielos in der Namenswahl sind, heißt dieser arme Tropf auf Englands Thron ebenfalls Heinrich, und zwar der Sechste (1421–1471). Nein, der ist nicht besonders berühmt, wofür er aber wenig kann.
    Der Thronjob ist von Anfang an eine Nummer zu groß für ihn, und er ist nicht dafür gemacht. Heinrich Nummer sechs ist neun Monate alt, als sein Vater – ein gefeierter Eroberer – stirbt. Damit hat England zum ersten und einzigen Mal in seiner Geschichte einen König in Windeln, und der hat naturgemäß wenig zu sagen. Regenten, darunter einige Yorks, übernehmen die Staatsgeschäfte für den Lancaster-Säugling und liegen sich sofort in den Haaren darüber, wer mehr zu sagen hat.
    Shakespeare hat die Lage 160 Jahre später so kommentiert: »Schlimm ist’s, wenn Kinderhand das Zepter führt.« Moderne Eltern, die sich sklavisch in den Dienst ihrer Nachkommen stellen, dürfen diesen Satz zweckentfremden und ihn sich aufs Kopfkissen sticken.
    Sobald unser Klein Heinrich schulreif ist, wird er in Frömmigkeit unterrichtet. Damit er nicht auf dumme Gedanken kommt. Etwa auf den, die erwachsenen Yorks und Lancasters beim Gerangel um seinen Thron zu ertappen. Der Religionsunterricht hat Erfolg. Schon mit sechs Jahren kann Heinrich die komplette Liturgie auswendig.
    Mit acht wird er der Form halber in England gekrönt. Mit neun setzt man ihm zusätzlich Frankreichs Krone auf und verlobt ihn später mit einer französischen Prinzessin, weil sein verstorbener Vater das Land zu großen Teilen erobert hat. Der war ein echter Warlord, energisch, knallhart, ein begnadeter Feldherr.
    Sein neunjähriger Sohn – so viel steht längst fest – ist das Gegenteil. Er neigt zu übertriebener Frömmigkeit und auch zu Schwermut und Antriebslosigkeit. Ein trauriger kleiner Prinz. Erschwerend kommt hinzu, dass seine Mutter – die Königinwitwe Katharina – sich bald vom Hof zurückzieht. Sie will sich einer streng verbotenen Liebe widmen, die für Englands Geschichte Folgen haben wird. Und ihr Lover heißt wie? Na?
    Genau. Tudor, Owen (1400–1461). Womit wir beim ersten erwähnenswerten Vertreter dieses Geschlechts angelangt sind.

Ein männliches Aschenputtel
    Owen, den Urgroßvater von Heinrich VIII., dürfen wir uns als eine
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