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Seuchenschiff

Seuchenschiff

Titel: Seuchenschiff
Autoren: Clive Cussler
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Wrack rutschte. Da jetzt eine größere Fläche des Rumpfs über das Eis schrammte, wurde die Reibung stärker als die Schwerkraft.
    Kessler erlaubte sich einen erleichterten Seufzer. Er wusste, dass die
Condor
in wenigen Sekunden zur Ruhe kommen würde. Hauptmann Lichtermann hatte es geschafft. Er lockerte den verzweifelten Griff, mit dem er sich seit der Warnung seines Vorgesetzten festgehalten hatte, und wollte sich schon auf seinem Sitz aufrichten, als sich die Steuerbordtragfläche ins Eis grub und am Rumpf abgerissen wurde.
    Der Rumpf rollte über die abgetrennte Tragfläche und legte sich mit einer Wucht auf den Rücken, die Kessler nahezu aus seinen Sicherheitsgurten zerrte. Sein Kopf schlug peitschenartig nach hinten, wobei der Schmerz bis in seine Zehen ausstrahlte.
    Der junge Flieger hing sekundenlang benommen in den Gurten, bis er begriff, dass er das ohrenbetäubende Schleifen von Aluminium auf Eis nicht mehr hören konnte. Die
Condor
war zur Ruhe gekommen. Gegen eine aufkommende Ohnmacht ankämpfend, öffnete er vorsichtig seine Sicherheitsgurte und ließ sich auf das Kabinendach herab. Er spürte, dass etwas Weiches unter seinen Füßen nachgab. In der Dunkelheit veränderte er seine Position so, dass er auf einer Rumpfverstrebung stand. Er tastete mit den Händen nach unten und zuckte sofort zurück. Er hatte einen Körper berührt, und seine Finger wurden mit einer warmen, klebrigen Flüssigkeit benetzt, von der er wusste, dass es Blut war.
    »Hauptmann Lichtermann?«, rief er. »Vogel?«
    Als Antwort erklang das Pfeifen eisigen Windes durch die gestrandete Maschine.
    Kessler durchsuchte einen kleinen Schrank unter dem Funkgerät und fand eine Taschenlampe. Ihr greller Lichtstrahl fiel auf den Leichnam Max Ebelhardts, des Kopiloten, der ja bereits in den ersten Sekunden des Luftangriffs gestorben war. Während er nach Josef Vogel und Lichtermann rief, leuchtete er in das auf dem Kopf stehende Cockpit. Er entdeckte die Männer, die immer noch angeschnallt waren und deren Arme schlaff herabhingen.
    Keiner der Männer rührte sich, noch nicht einmal, als Kessler zu ihnen hinüberkletterte und eine Hand auf die Schulter des Piloten legte. Lichtermanns Kopf hing nach hinten, seine blauen Augen waren starr. Das Gesicht war dunkelrot, eine Folge des Blutes, das sich in seinem Schädel gesammelt hatte. Kessler berührte seine Wange. Das Fleisch war noch warm, aber die Haut hatte ihre Elastizität verloren. Sie fühlte sich wie Knetmasse an. Er richtete den Lichtstrahl auf den Funker und Bordschützen. Josef Vogel war ebenfalls tot. Vogels Kopf war gegen die Kabinenwand geprallt – Kessler konnte den Blutfleck auf dem Metall erkennen –, während Lichtermanns Genick gebrochen sein musste, als sich das Flugzeug auf den Rücken gelegt hatte.
    Der beißende Benzingestank brannte sich endlich durch den Nebel in Kesslers Kopf, und er stolperte zum Heck des Flugzeugs, wo sich die Einstiegsluke befand. Durch den Absturz hatte sich ihr Rahmen verzogen, und so musste er sich mit der Schulter gegen die Metallklappe werfen, um sie öffnen. Er stürzte aus der
Condor
und landete bäuchlings auf dem Eis. Trümmerteile des Rumpfs und der Tragfläche waren über den Gletscher verstreut, und deutlich konnte er die tiefen Rinnen erkennen, die die Maschine ins Eis gegraben hatte.
    Er hatte keine Ahnung, wie akut die Gefahr eines Feuers war oder wie lange es dauern würde, bis er wieder ungefährdet in die
Condor
zurückkehren konnte. Aber angesichts des eisigen Windes, der über den Gletscher wehte, war ihm klar, dass er sich nicht allzu lange im Freien aufhalten durfte. Das Beste wäre für ihn, wenn er das Gebäude fände, das er kurz vor dem Absturz entdeckt hatte. Dort würde er abwarten, bis er sicher sein konnte, dass die
Condor
nicht in Flammen aufging, und später dorthin zurückkehren. Er hoffte, dass das Funkgerät den Absturz überlebt hatte. Wenn nicht, dann gab es noch ein kleines aufblasbares Rettungsboot, das im Heck des Flugzeugs verstaut war. Er würde Tage brauchen, um ein Dorf zu erreichen, aber wenn er sich stets in Küstennähe hielt, könnte er es schaffen.
    Einen Plan zu haben, half ihm, das Grauen der vergangenen Stunde in Schach zu halten. Er musste sich nur auf sein Überleben konzentrieren. Wenn er erst einmal wohlbehalten nach Narvik zurückgekehrt war, würde er seiner toten Kameraden in gebührender Weise gedenken. Er hatte keinem von ihnen besonders nahe gestanden und sich lieber mit seinen
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