Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim
Autoren: Kathrin Lange
Vom Netzwerk:
Einfluss über die reiche Stadt zurückzuerlangen, den das Geschlecht der Zollern einst dem Stadtrat verkauft hatte.
    Gunther war von einem der vom Stadtrat vereidigten Röhrenmeister gefasst worden, als er die Stollen erkundete.
    Matthias sah sich um. »Woher kommst du?«
    Faro deutete zu der schmalen Abzweigung, hinter deren Ecke er sich eben versteckt hatte. »Aus Richtung Süden. Ich wollte zur Burg hoch.«
    »Mein Weg.« Matthias wies den abschüssigen Gang entlang. Auf einmal überkam ihn ein vages Gefühl von Enge. Warum fühlte er sich plötzlich unbehaglich? Er warf Faro einen kurzen Blick zu und war froh, den Freund an seiner Seite zu haben.
    »Zum Lochgefängnis runter?«, fragte Faro. »Dann hast du den Abschnitt zwischen Burg und hier heute schon kontrolliert?«
    Matthias nickte.
    Zu seiner Erleichterung grinste Faro. »Dann würde ich sagen, ich spare mir den Weg. Bist du heute wieder mit Sebald verabredet?«
    »Natürlich.«
    »Und hat er noch immer dieses Fass mit Heidelbeerwein vom letzten Herbst?«
    Jetzt lächelte Matthias. »Was glaubst du?«
    Faro schlug ihm auf den Rücken. »Ich glaube, ich werde dich begleiten, mein Lieber!«
    Nachdem sie eine Weile über Joachim Gunther und seinen Verrat geredet hatten, hatte Matthias das Bedürfnis, das Thema zu wechseln. »Diese Kerle, die gestern bei den Predigern in der Burgstraße eingetroffen sind«, sagte er, »weißt du, wer sie sind?«
    Faro zuckte die Achseln. »Inquisitoren. Mehr weiß ich auch nicht.«
    »Das ganze Viertel redet über sie.«
    Faro grunzte. »Na und?« Er hatte weiche Züge, die um die Kinnpartie bereits ein wenig erschlafften.
    »Ich meine ja nur! Inquisitoren in Nürnberg, und das so kurz nachdem König Maximilian den Reichstag beendet hat. In der Stadt sind noch überall Spuren der hohen Herren zu sehen. Und jetzt Inquisitoren! Ich frage mich, ob die Bürger je zur Ruhe kommen.« Matthias überlegte einen Moment. »Ich habe munkeln gehört, dass eine der Wäscherinnen von der Heubrücke vom Teufel besessen sein soll«, fügte er hinzu.
    Es gab in der Stadt immer wieder einmal Fälle von Besessenheit, das war nichts Besonderes, und wie Matthias schon erwartet hatte, winkteFaro ab. »Wahrscheinlich hat eine ihrer Nachbarinnen sie sogar um Mitternacht mit dem Besen aus dem Schornstein fliegen sehen, was?«
    Faros Worte verstärkten das Unbehagen in Matthias’ Brust. Er musste sich zusammennehmen, um sich nicht alle paar Augenblicke ängstlich umzusehen. »Im Viertel am Spittlertor sind Streitschriften aufgetaucht, diese Dinger, du weißt schon, die sie auf ihren Druckerpressen neuerdings zu Hunderten herstellen können. Irgendwelche Auszüge aus einem neuen Buch standen darauf, das zwei Dominikaner geschrieben haben sollen. Ich habe nicht alles verstanden, aber im Kern ging es darin wohl um die Frage, ob es ketzerisch ist, an Hexen und Dämonen zu glauben.«
    »Ach!« Faro wischte sich mit der flachen Hand über das Gesicht. »Kirchengeschwätz! Einmal behaupten sie, es sei nicht gut katholisch, an Zauberei zu glauben, weil es gegen Gottes Plan von der Welt sei. Dann wieder sagen sie, dass«, er hob das Kinn und blickte an die Decke, dann zitierte er mit verstellter Stimme: »Hexerei und Zauberkünste bisweilen unter heimlicher Zulassung von Gottes gerechtem Urteile und unter Beihilfe des Satans möglich sind.«
    Matthias musste lachen, denn Faros Nachahmung der einfältigen Stimme eines Priesters von St. Sebald gelang beinahe perfekt. Rasch wurde er jedoch wieder ernst. »Mich macht es irgendwie unruhig, dieses ganze Gerede von Dämonen.« Vielleicht war das der Grund für sein Unbehagen? Es war wohl besser, dem Gespräch eine andere Wendung zu geben.
    Zu seiner Erleichterung schien Faro das Gleiche zu denken. Er reckte sich und fuhr sich über die Kehle. »Bei den blinden Augen meiner alten Mutter«, brummelte er. »Hast du auch so einen Durst wie ich?«
    Matthias feixte. »Nein. Du hättest gestern eben nicht so viel von Judiths Selbstgebranntem trinken sollen!«
    Der Gang, in dem sie sich jetzt befanden, war breiter als die anderen. Ein kurzes Stück voraus machte der Weg eine Biegung. Wie an zwei oder drei anderen Stellen auch, hatten die Röhrenmeister hier eine der Steinplatten herausgehoben, um die Möglichkeit zu haben, in den langen Gängen ihren Durst zu löschen, ohne dafür eine schwere Wasserflasche mit sich tragen zu müssen.
    Faro überwand die Lücke mit einem kurzen Sprung und blieb stehen. Er sank auf ein Knie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher