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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim
Autoren: Kathrin Lange
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und schöpfte eine Handvoll Wasser aus der Rinne. Dann trank er ein paar Schlucke, verzog das Gesicht und wischte sich ein paar Tropfen vom Kinn. »Schmeckt wie aus einem Sumpfloch!«
    Matthias verzog das Gesicht. Aber der Anblick Faros hatte auch bei ihm Durst wachgerufen, und so trank er ebenfalls. Faro hatte recht, das Wasser schmeckte übel. Sie standen wieder auf, klopften sich den Schmutz von den Knien und setzten ihren Rundgang fort.
    Diesmal begann Faro das Gespräch von Neuem. »Wie geht es Katharina?«, fragte er so beiläufig wie möglich.
    Matthias warf ihm einen Seitenblick zu. »Gut soweit.« Katharina war seine Halbschwester. Sie und er hatten den gleichen Vater. Es war noch nicht sehr lange her, dass Katharinas Ehemann Egbert Nürnberg verlassen hatte und in der Fremde umgekommen war.
    Faro nickte bedächtig. Vor ein paar Wochen hatte er begonnen, immer häufiger von ihr zu reden, und Matthias wusste, dass er sie schon als seine Verlobte ansah, auch wenn er es bisher noch kaum gewagt hatte, um sie zu werben. »Lebt sie noch immer in dem Haus nahe der Kartäusergasse?«
    »Natürlich.« Matthias löste einen Schlüsselbund vom Gürtel. Sie waren inzwischen ganz in der Nähe des Lochgefängnisses, wo sie ihren Kontrollgang beenden wollten.
    Faro hob die Schultern. »Ich könnte mir vorstellen, dass das Vermögen, das Egbert ihr hinterlassen hat, bald aufgebraucht sein wird.«
    Jetzt blieb Matthias stehen. »Wenn du um ihre Hand anhalten willst«, sagte er, »dann rede mit ihr . Ich bin nur ihr Bruder.«
    »Eben.« Faro zwirbelte eine Locke um den Zeigefinger. »Und euer Vater ist tot, wenn ich mich richtig erinnere.«
    Womit die Vormundschaft über Katharina, rechtlich gesehen, auf Matthias übergegangen war. Nur, dass Katharina eine Frau war, die sich einen Dreck um etwas für sie so Lästiges wie einen Vormund scherte.
    »Du kennst Katharina«, sagte Matthias. »Sie hört nicht mehr auf mich, seit wir beide den Windeln entwachsen sind. Glaubst du, sie würde es ausgerechnet tun, wenn es um die Frage geht, ob sie wiederheiraten soll?« Während er sprach, wandte er den Kopf und blickte in die Tiefe des Ganges hinter ihnen. Jetzt hob er eine Hand, brachte Faro damit zum Schweigen und griff nach seinem Schwert. Mit einer langsamen Bewegung tat es ihm Faro gleich, den Blick fragend auf seinen Freund gerichtet.
    Der Gang hatte angefangen zu atmen! In langsamem, aber stetigem Rhythmus zogen sich die Felsen zusammen und weiteten sich wieder. Matthias’ Mund wurde trocken. Auf einmal fühlte er sich eingeschnürt. Bedroht. In seinen Ohren summte es. Der Boden unter seinen Füßen bebte.
    Er zwang sich weiterzugehen, bis er vor einer eisenbeschlagenen Tür stand. Mühsam nur bekam er den Schlüssel ins Schloss, doch als er ihn herumdrehen wollte, erstarrte er mitten in der Bewegung. Er senkte den Kopf, ließ den Schlüssel los. Seine Hand krampfte sich um den Schwertgriff. Sein Oberkörper begann leicht hin- und herzuschwanken.
    Faro blinzelte und wedelte vor seinen Augen umher, als müsse er lästige Fliegen verjagen. »Was zum ...«
    Er unterbrach sich, denn jetzt waren hinter ihnen deutlich Schritte zu hören. Seite an Seite drehten sie sich um.
    »Ist da wer?« Matthias’ Stimme trug weit in den Gängen, und sie brach sich an den rauen Wänden, so dass sie als vielfaches Echo zu ihnen zurückgetragen wurde.
    Die Schritte verstummten.
    Matthias schloss die Tür auf, doch kaum hatte er sie einen Fingerbreit aufgezogen, erschollen die Schritte erneut.
    »Gebt Euch zu erkennen!« Matthias’ Zunge wollte ihm nicht richtig gehorchen, sein Befehl klang, als habe er den Mund voller Sägemehl. Wieder schwankte er, und diesmal musste er sich an der Wand Halt verschaffen. Er zog Luft durch die Zähne.
    »Matthias?«
    Faros Stimme drang wie aus weiter Ferne an sein Ohr, doch im nächsten Moment rückte die gesamte Welt dicht an ihn heran. Schlagartig bekam er keine Luft mehr. Das Blut rauschte in seinem Kopf, nur mit Mühe konnte er das Flüstern verstehen, das Faro über die Lippen presste.
    »Was, bei allen Heiligen, ist das?«
    Er wandte sich um, ihn schwindelte. Dann riss er die Augen auf. Im Gang vor ihm stand eine Gestalt, hochaufgerichtet, lichtumflossen. Blendend weiße Flügel bauschten sich im Luftzug, und glühende Augen richteten den Blick direkt in sein Gesicht.
    * * *
    Johannes Schedel hob die Fackel höher. Ohne dass er es wollte, formten seine Lippen Wort um Wort ein Gebet.
    Heilige Maria, Mutter
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