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Serafina - Das Königreich der Drachen - Wie alles begann ... (German Edition)

Serafina - Das Königreich der Drachen - Wie alles begann ... (German Edition)

Titel: Serafina - Das Königreich der Drachen - Wie alles begann ... (German Edition)
Autoren: Rachel Hartman
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hatte die Beine bequem hochgelegt. Seine klauenartigen Hände waren verbunden und seine Knie und Füße waren stark geschwollen. Am ersten Tag des Probevorspiels hatte mich sein Anblick entsetzt, am zweiten Tag zu Mitleid gerührt – und weder das eine noch das andere konnte mich von meinem Vorhaben, seine Gehilfin zu werden, abbringen. Wie lange schon bewunderte ich seine herrliche Musik. Seine Fantasien waren die allerersten Klavierstücke, die Orma mir beigebracht hatte, und mit ihrer Lebendigkeit und Kraft hatten sie mich vom ersten Augenblick an fasziniert.
    Meister Viridius begrüßte mich mit einem Stirnrunzeln. »Maid Dombegh! Wie schön, dass du uns doch noch mit deiner Gegenwart beehrst«, sagte er gedehnt. »Du kommst als Dritte dran, da du ja so gerne trödelst.«
    Beschämt machte ich einen Knicks vor ihm.
    Mit einer Handbewegung schickte er mich weg. »Warte so lange draußen im Vorzimmer. Ich habe entsetzliche Kopfschmerzen und ertrage kein Herumgezapple.«
    Der Lautenmeister, der als Erster an die Reihe kam, folgte einem Pagen, der ihn zu Prinzessin Glisselda führen sollte.
    Wir anderen gingen hinaus in das kleine Vorzimmer mit den schmalen Wartebänken an den Wänden. Ich setzte mich neben Orma, uns gegenüber nahm der Troubadour Platz.
    Orma legte die Füße auf die gegenüberliegende Bank und versperrte den Weg, bis ich ihm einen Klaps auf die Knie gab. Ich lenkte mich ab, indem ich in Gedanken Motetten komponierte und den Troubadour beobachtete. Er trug eine Seidenhose, die er sich vermutlich gar nicht leisten konnte, und umklammerte nervös die Kappe mit der Federbuschverzierung auf seinem Schoß.
    Neben mir kritzelte Orma in ein kleines Schreibbuch. Ich warf einen Blick darauf. Wunschliste der Bücher aus der königlichen Privatbibliothek stand da.
    »Wie stellst du dir das vor? Du kannst nicht einfach in die Privatbibliothek der Königin gehen«, raunte ich ihm zu.
    »Dann ist die Liste eben für dich.« Er machte sich gar nicht erst die Mühe, leise zu sprechen. »Falls du die Stelle bekommst, hast du dort freien Zugang. Ich werde die Bücher in der Reihenfolge aufschreiben, in der ich sie gerne lesen würde.«
    »Was soll das heißen, falls ich die Stelle bekomme? Zwölf Prozent, Orma!«
    Er zuckte die Schultern. »Zwölf Prozent, vorausgesetzt du stellst nichts Unvorhergesehenes an. Die Chancen, dass du eine Überraschung für mich parat hast, stehen bei achtundsechzig Prozent. Ich kann dir zeigen, wie ich darauf gekommen bin.«
    Er blätterte eine Seite um und fing an zu rechnen. Ermattet schloss ich die Augen.
    Eine Stunde und sechs Seiten Algebra später kehrte der Lautenmeister zurück, wutschäumend, wild gestikulierend und von Kopf bis Fuß in schwarzen Schmutz gehüllt. Er hinterließ einen hässlichen dunklen Fleck auf der Seidenhose des Troubadours, als er im Vorbeigehen gegen dessen Knie stieß, dann stürmte er in das Studierzimmer von Meister Viridius und schlug die Tür hinter sich zu. Trotzdem verstanden wir jedes Wort.
    »Ich lasse mich nicht auf diese Weise demütigen! Ich ziehe meine Bewerbung zurück, Sir!«
    Er stieß die Tür wieder auf und stapfte davon, nur eine Kohlenrußwolke hinter sich zurücklassend. Der Troubadour tupfte mit einem Taschentuch die verschmutze Seide ab. Als sich unsere Blicke trafen, lächelte er matt. Jetzt waren nur noch wir beide übrig.
    Der Page kehrte zurück, um den nächsten Kandidaten aufzurufen. Der Troubadour strich sein Wams zurecht, schlug das Zeichen von Sankt Ida und ging hinaus. Die Tür des Studierzimmers ging auf. Ich drehte mich um. Der alte Mann stand auf zwei Krücken gestützt da und schaute dem Troubadour hinterher. Er bemerkte meinen Blick und sah mich unter seinen buschigen Augenbrauen finster an. »Der Lautenmeister ist ein Dummkopf«, knurrte er. »Dieser Tölpel ist gar nicht dazu gekommen, der kleinen Göre Unterricht zu geben, weil er zuvor in einen Kohlenschacht gefallen ist. Du musst dir deswegen aber keine Sorgen machen, glaub mir.«
    Die hatte ich mir bisher auch nicht gemacht, was sich nach seinen Worten aber schlagartig änderte. Er zog den Kopf ein wie eine etwas schrullige, altersfleckige Schildkröte und schloss die Tür hinter sich.
    Ich drehte mich zu meinem moralischen Unterstützer um, denn plötzlich hatte ich ein bisschen Zuspruch dringend nötig – aber Orma war nicht mehr da.
    Jeden kann ein natürliches Bedürfnis überkommen, auch Drachen. Natürlich verlangte ich von ihm nicht, dass er sich jedes
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