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Serafina - Das Königreich der Drachen - Wie alles begann ... (German Edition)

Serafina - Das Königreich der Drachen - Wie alles begann ... (German Edition)

Titel: Serafina - Das Königreich der Drachen - Wie alles begann ... (German Edition)
Autoren: Rachel Hartman
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die Stadt und unsere Schatten auf der Erde eilten uns einträchtig voraus.

Und so beginnt Serafinas Abenteuer …
    – Leseprobe aus: Rachel Hartmann: Serafina – Das Königreich der Drachen; cbj-Verlag –
    I m Zentrum der Kathedrale stand ein Modell des Himmels, das Goldenes Haus genannt wurde. Sein Dach entfaltete sich wie eine Blüte um eine Höhlung in Menschenform, in der Prinz Rufus’ armer Körper lag, ganz in Gold und Weiß gekleidet. Seine Füße ruhten auf der Gesegneten Schwelle und sein Kopf lag in ein Nest aus vergoldeten Sternen gebettet.
    Zumindest hätte er da liegen sollen. Prinz Rufus’ Mörder hatte ihn nämlich enthauptet. Die Wachleute hatten den Wald und das Sumpfland ergebnislos durchkämmt, aber das Haupt des Prinzen war unauffindbar geblieben. Deshalb musste man ihn ohne Kopf begraben.
    Ich stand oben auf den Stufen des Chorraums und beobachtete die Trauerfeier. Der Bischof predigte von der Kanzel über dem Goldenen Haus zu der im vorderen Kirchenschiff versammelten königlichen Familie und den adligen Trauergästen. Hinter einer hölzernen Brüstung drängte sich das trauernde Volk in dem gigantischen Hauptschiff. Sobald der Bischof seine Gebete gesprochen hatte, würde ich die Anrufung des Heiligen Eustach spielen, der die Seele des Prinzen auf den Stufen zum Himmel geleiten sollte. Schwindel und Panik ergriffen mich, als hätte man mich gebeten, Flöte auf einer sturmumtosten Klippe zu spielen.
    Tatsächlich hatte mich niemand gebeten zu spielen, ja ich stand nicht einmal auf dem Programm. Beim Abschied von zu Hause hatte ich Papa versprechen müssen, niemals in der Öffentlichkeit aufzutreten. Ich hatte die Anrufung schon ein-, zweimal gehört, aber sie noch nie zuvor gespielt. Nicht einmal die Flöte gehörte mir.
    Der Solist meiner Wahl hatte jedoch sein Instrument zerbrochen, und mein Ersatzsolist musste in der vergangenen Nacht zu oft auf das Wohl von Prinz Rufus’ armer Seele anstoßen und spuckte sich jetzt im Klostergarten die eigene Seele aus dem Leib. Einen zweiten Ersatz hatte ich nicht. Ohne die Anrufung wäre die ganze Begräbnisfeier ruiniert. Ich war für die musikalische Gestaltung verantwortlich, also musste ich spielen.
    Das Gebet des Bischofs zog sich hin; er schilderte die wunderbare himmlische Heimstatt, in der sämtliche Heiligen wohnten und in der wir alle dereinst in ewiger Glückseligkeit ruhen würden. Er verzichtete darauf, Ausnahmen zu erwähnen. Das war auch gar nicht nötig. Mein Blick huschte unwillkürlich über das Meer der weiß gekleideten Höflinge hinweg zu den Gesandten der Drachen und der Ehrenabordnung ihrer Botschaft. Sie waren in ihren Saarantrai – ihrer menschlichen Form –, aber man erkannte sie selbst aus dieser Entfernung mühelos an den Silberglöckchen, die sie an den Schultern trugen, sowie an dem Platz, der um sie herum leer geblieben war, und nicht zuletzt an ihrer Weigerung, während des Gebets den Kopf zu senken.
    Drachen haben keine Seele. Keiner ging davon aus, dass sie fromm waren.
    »Amen!«, sang der Bischof. Das war mein Einsatz. Doch genau in diesem Augenblick sah ich meinen Vater in der Menge stehen. Er war blass und wirkte angespannt. In meinen Gedanken hörte ich noch, was er an jenem Tag vor kaum zwei Wochen, als ich mich zum Hof aufgemacht hatte, gesagt hatte: Vermeide es, Aufmerksamkeit auf dich zu lenken. Wenn dir schon nichts an deiner eigenen Sicherheit liegt, dann bedenke wenigstens, was für mich auf dem Spiel steht!
    Der Bischof räusperte sich, aber ich war wie zu Eis erstarrt und bekam kaum noch Luft.
    Verzweifelt versuchte ich, mich auf etwas anderes zu konzentrieren.
    Mein Blick blieb auf der königlichen Familie haften; drei Generationen waren versammelt und boten ein Bild des Kummers in Weiß und Gold. Königin Lavonda trug ihre schulterlangen grauen Locken offen, ihre blassen blauen Augen waren rot geweint vor Trauer um ihren Sohn. Prinzessin Dionne saß aufrecht und blickte finster, als sinne sie auf Rache an den Mördern ihres jüngeren Bruders oder auch an Rufus selbst, weil er es nicht geschafft hatte, seinen vierzigsten Geburtstag zu erleben. Prinzessin Glisselda, Dionnes Tochter, hatte sich mit ihrem blonden Kopf an die Schulter ihrer Großmutter gelehnt, um sie zu trösten. Prinz Lucian Kiggs, Glisseldas Cousin und Verlobter, saß etwas abseits der Familie und starrte ins Leere. Er war kein Nachkomme von Prinz Rufus, sondern der uneheliche Sohn von Dionnes lange verstorbener Schwester, aber er
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