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Septemberblut

Titel: Septemberblut
Autoren: Rebekka Pax
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Leonhardt, du hattest schon in der alten Welt Streit mit Meister Gordon, und du bist der Hauptkläger in dieser Sache. Ich gebe deinem Jäger zehn Tage Zeit, um die Waffe zu finden. Wenn es nicht gelingt oder Gordon das Messer vor uns findet, berufe ich den Rat erneut ein.«
    Ich schluckte. Zehn Tage, das war nichts. Andererseits war es eine kleine Ewigkeit, in der Gordon noch mehr Vampire und damit weitere Soldaten für seinen Krieg erschaffen konnte.
    Ich wusste, warum Andrassy zögerte. Bislang hatte Gordon anderen Clanherren gegenüber keine Aggressionen gezeigt. Er schuf viele neue Vampire, aber das war kein Verbrechen. Die Jungen töteten Menschen, aber so etwas geschah hin und wiederund war in diesem frühen Alter durch den Clanherrn zu bestrafen. Niemand wusste, ob Gordon dieser Pflicht nachkam. Die einzelnen Vampirgruppen in dieser Stadt funktionierten wie kleine, in sich geschlossene Universen, die um ihre eigene Sonne, den Clanherrn, kreisten. Kaum jemand wusste, was bei seinen Nachbarn geschah.
    Ich hörte andere Meister gegen Andrassys Entscheidung protestieren und meine Fähigkeiten in Frage stellen, doch erst als der Fürst selbst die Stimme erhob, wurde ich wirklich aufmerksam.
    »Wenn wir das Messer haben, wird Gordon es nicht mehr wagen, anzugreifen.« Er war aufgestanden und stützte die Hände auf den Tisch. »Ein Kampf bedeutet Tote, Hunderte. Ein Blutbad, wie es LA noch nicht gesehen hat. Wenn ich Gordon verurteile, trifft es seinen gesamten Clan. Wollt ihr das wirklich?«
    Die Stille war absolut. Ein Schauder erfasste mich, und ich bleckte die Zähne in Erinnerung an ein Grauen, das ich niemals aus meinem Verstand würde tilgen können.
    » Julius. « Die dunkle Stimme meines Meisters flüsterte mahnend durch meine Gedanken. Ich senkte gehorsam den Blick.
    Seine Augen waren hell geworden. Auch er erinnerte sich an das Gemetzel in Frankreich, an das Blut Schuldiger und Unschuldiger, das für immer an unseren Händen klebte.
    » So weit wird es nicht kommen « , sagte er telepathisch. » Du findest es, ich vertraue darauf. «

    Der Polizeiwagen fuhr mittlerweile durch bekanntes Gebiet, und der Anblick vertrauter Häuser und Cafés gab Amber einen Teil ihrer Sicherheit zurück. Diesen Abschnitt des Boulevardsging sie jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit entlang. Es war immer noch der Sunset, doch im Stadtteil Silverlake hatte die berühmte Straße viel von ihrer Bedeutsamkeit eingebüßt.
    Der Fahrer sah sich nach Amber um und bemühte ein Lächeln.
    »Edgecliff Drive?«, fragte er und setzte gleichzeitig den Blinker. Nach etwas mehr als hundert Metern hielt der Wagen vor einem anderthalbgeschossigen Bungalow, den Amber gemeinsam mit ihrer Mutter bewohnte.
    Im Wohnzimmer und auf der Veranda brannte noch Licht.
    Amber brachte ein schwaches »Danke« über die Lippen, dann stieg sie aus und schlug die Tür zu. Das kleine Törchen, das den Vorgarten von den Gehwegplatten trennte, knarrte, als Amber sich hindurchzwängte.
    Ihre Schritte wurden langsamer.
    Sie wollte jetzt nicht ihrer Mutter begegnen.
    Am liebsten hätte sie sich in irgendeinem dunklen Winkel verkrochen und so lange dort ausgeharrt, bis der bittere Schmerz nachließ und sie keine Angst mehr haben musste, bei jeder Beileidsbekundung in Tränen auszubrechen. Mit der Hand an der Klinke versuchte Amber sich zu sammeln und öffnete dann die Tür. Im Haus war es vollkommen ruhig. »Mama?«
    Keine Antwort.
    »Charly?«
    Amber schluckte. Als die Stille unheimlich zu werden begann, vernahm sie leise Atemgeräusche. Ihre Mutter lag auf dem Sofa und schlief. Überall waren zerknüllte Taschentücher. Auf dem Couchtisch standen Medikamente. Amber nahm eines der Tablettenröhrchen in die Hand und las das Etikett. Tavor, ein Beruhigungsmittel. Eine zweite Packung entpupptesich als Schlaftabletten. Charly würde selbst dann nicht wach werden, wenn Amber sie anschrie.
    Es war nicht das erste Mal, dass Amber ihre Mutter so sah, aber heute machte sie es ihr ausnahmsweise nicht zum Vorwurf.
    Charly nahm Tabletten, seit ihr Mann sie betrog und verließ und wiederkam und wieder betrog und wieder verschwand. Das Verhalten ihres Vaters hatte Amber misstrauisch und kalt gemacht. Er war schuld an Charlys Depressionen, und jetzt konnte er sich auch noch Frederiks Tod auf die Fahnen schreiben.
    Amber schluckte an den bitteren Tränen vorbei, die darauf warteten, geweint zu werden, nahm eine Wolldecke vom Sessel und deckte ihre Mutter damit zu. Im Flur begegnete sie
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