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Septemberblut

Titel: Septemberblut
Autoren: Rebekka Pax
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würde da sein, jeder der Gäste konnte mein potentielles Ziel sein.
    Die Zeremonie fand am frühen Abend statt. Ich war auf dem Friedhof, sobald die Sonne mir erlaubte, mein Versteck zu verlassen, und beobachtete das Ankommen der Trauergäste.
    Immer wieder prüfte ich den Wind, der als heißer Atem über die Grabsteine strich. Von Gordon oder seinen Vampiren roch ich nichts. Als ich sicher sein konnte, dass meine Gegner nicht da waren, ging ich näher zu den Menschen, die sich um das offene Grab versammelt hatten.
    Ich fiel nicht weiter auf. Bis auf ein weinrotes Hemd trug ich dem Anlass entsprechend Schwarz. Es gab mehrere junge Leute in meinem Alter, oder genauer gesagt dem Alter, das mein Äußeres vorgaukelte. Ich hätte genauso gut einer von Frederiks Freunden sein können. Verwandte standen in kleinen Grüppchen zusammen und spendeten einander Trost. Ihre Unterhaltungen waren leise, geflüstert. Hin und wieder färbte ein Schluchzen die Luft.
    Ich sah zu einer alten Weide. Zwischen den silbrigen Blättern schmetterte ein kleiner Vogel sein Liebeslied, seltsam schrill und genauso fehl am Platz wie das fröhliche Plätschern eines nahen Brunnens.
    Als die Zeremonie begann, blieb ich auf Abstand und ließ mich von den monotonen Worten des Priesters berieseln. Von den umliegenden Gräbern stieg der Geruch von vergorenem Blumenwasser auf.
    Ichwartete ab, bis der Geistliche seine Litanei heruntergebetet hatte, warf mein Häufchen Erde ins Grab und kondolierte der weinenden Mutter. Dann schlenderte ich davon.
    Ich hatte mir jeden Gast genau angesehen, doch niemand schien mir die Energie oder die Willenskraft zu besitzen, um das Messer zu führen, geschweige denn von unserer Existenz zu wissen.
    Versunken in Grübeleien übersah ich beinahe die junge Frau, die auf dem Boden saß und ihre Hände ins Gras krampfte. Sie hatte rotes, lockiges Haar. Lichtpunkte fielen durch das Blätterdach und brachten es zum Glänzen. Ihr schlanker Rücken erbebte in stummer Trauer.
    Sie hörte meine Schritte und sah auf. Hohe Wangenknochen, Sommersprossen auf Nase und Stirn und eine leichte Bräune, wie sie nur die Natur zauberte. Ich kannte dieses Gesicht, hatte es auf einem Bild in Frederiks Wohnung gesehen. Sie musste seine Schwester sein. Meine Neugier war geweckt.
    Ihr meergrüner Blick sagte deutlich, dass sie keine Gesellschaft wollte. Dennoch setzte ich mich neben sie, zerdrückte eine Ameise, die über meine Hose kroch, und schwieg. Ihr Haar roch nach Sonne und Orangen. Wie gerne wollte ich es berühren, doch stattdessen faltete ich meine Hände über den Knien.
    »Warst du ein Freund von meinem Bruder?«, fragte sie und wischte hastig eine einzelne Träne von der Wange.
    »Ich kannte ihn«, gab ich zurück.
    Ihr Blick folgte den Trauergästen, die sich gemeinsam auf den Weg zum Parkplatz machten. Niemand schien auf sie zu warten.
    »Frederik war ein Spinner, er mochte mich nicht, nur seine Computer und die blöden Spiele«, sagte sie bitter.
    Ichzuckte ratlos mit den Schultern. Was sollte ich auch dazu sagen?
    An meinem Daumen klebte ein Ameisenbein. Ich wischte die Finger an der Hose ab und stand auf.
    »Komm, gehen wir.« Ich streckte die Hand aus, um ihr aufzuhelfen.
    Die junge Frau ergriff sie und hielt sie einen Moment zu lange.
    »Deine Finger sind kalt.«
    »Das sind sie immer.«
    Schweigend folgten wir den anderen. Ich wurde mit jedem Schritt zuversichtlicher. Amber schien mir die Richtige zu sein. Hinter der Trauer verbarg sich eine energische Frau. Kein anderer Mensch, dem ich an diesem Abend begegnet war, schien geeigneter als sie, und sie hatte Frederik am allerbesten gekannt. Ich durfte mir meine Chance nicht entgehen lassen. Selbst wenn sie das Messer nicht hatte, roch sie wahnsinnig gut. Ihr Blut rief nach mir und weckte meinen Hunger. »Mein Name ist Julius.«
    »Amber.«
    Sie reichte mir wieder die Hand, und der Anflug eines Lächelns streifte ihr Gesicht. »Als ich die Einladungen geschrieben habe, war dein Name nicht dabei.«
    »Ich habe die Traueranzeige gelesen«, erwiderte ich schnell.
    »Schlechte Antwort, es gab keine.«
    Einen Moment war ich sprachlos. Ihre Nähe verwirrte mich. Das war seit Ewigkeiten keiner Frau mehr gelungen, besonders keiner sterblichen.
    »Bist du einer von den Typen, die aus Spaß zu Beerdigungen gehen?«, fragte sie ungläubig.
    »Nein! Ich kannte Frederik wirklich.«
    Sie schwieg, und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Im Windhauch lag der Duft ihres Parfüms und salziger
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