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Septemberblut

Titel: Septemberblut
Autoren: Rebekka Pax
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Wahrscheinlich hatte jeder, der in der Gerichtsmedizin arbeitete, mehr Trauer gesehen, als für ein Menschenleben gut war.
    Amber war dem Arzt in den Raum mit den Schubladen gefolgt,der am Ende eines langen grauen Flures lag, in dessen Linoleumboden die Räder der Bahren Furchen gekerbt hatten. Mit jedem weiteren Schritt wurde der Geruch nach Chemie und etwas, das ihre Urinstinkte das Fürchten lehrte, intensiver. Es stank nach Tod. Muffig und pelzig schmiegte sich der Geruch in ihre Kehle und war seitdem geblieben.
    Frederik, oder das, was der Sturz von ihm übrig gelassen hatte, lag nicht in einem der Fächer, sondern auf einem Metalltisch. Das Tuch, mit dem man ihn zugedeckt hatte, wies an vielen Stellen Blutflecken auf.
    Im kalten Licht der Deckenbeleuchtung besaß das Rot einen grellen, unwirklichen Ton.
    Für einen Augenblick wollte sich Ambers Verstand an die Vorstellung klammern, dass alles nur ein schlechter Scherz war, bis der Arzt plötzlich das Laken wegzog.
    Amber taumelte einen Schritt zurück und prallte mit dem Rücken gegen den kleineren der beiden Polizisten. Beim Blick in sein gleichgültiges Gesicht fing sie sich wieder.
    Das, was da mit zerschmetterten Gliedern vor ihr lag, war tatsächlich ihr Bruder. Andererseits war er es auch wieder nicht. Frederiks Haut war unnatürlich blass, und im Dreitagebart und dem rotblonden Haar klebte Blut. Die braunen Augen starrten aufgerissen ins Leere.
    Amber streckte ohne zu überlegen die Hand nach ihm aus und verharrte dann kurz über seinem Körper. Die Haut strahlte keinerlei Wärme aus. Kalt, er war kalt.
    Plötzlich ekelte Amber sich und schämte sich zugleich, dass sie nicht wagte, das tote Fleisch ihres Bruders zu berühren.
    »Miss Connan, können Sie uns den Namen des Verstorbenen nennen?«, fragte der fischäugige Mediziner.
    »Ja.«
    Die Worte blieben ihr im Hals stecken, als würde das schrecklicheUnglück erst dann Realität, wenn sie es aussprach.
    »Das ist mein Bruder, Frederik Connan«, flüsterte sie.
    Der Arzt nickte zufrieden und zerrte das Laken zurück an seinen Platz. »Vielen Dank, dass Sie sich herbemüht haben. Die beiden Herren werden Sie nach Hause bringen.«

    Ich verneigte mich tief und versuchte die Nerven zu bewahren. Wir befanden uns im Gerichtssaal der Vampirclans von Los Angeles, der in einer gut gesicherten Villa in Malibu lag. Ich begleitete meinen Meister Curtis nicht oft zu Beratungen der sieben Clanherren, und noch seltener sprach ich vor ihnen.
    Fürst Andrassy, der mächtigste und älteste Vampir von Los Angeles, hatte mich aufgefordert, von Frederiks Tod zu berichten.
    Die Augen ehrfürchtig auf den schwarzen Marmorboden vor mir gesenkt, gab ich eine kurze Zusammenfassung von dem, was ich wusste. Frederik Connan, der in seinem bürgerlichen Leben als Computerdesigner gearbeitet und nachts Jagd auf unsereins gemacht hatte, war nicht mehr.
    »Ich bin mir sicher, dass es kein Selbstmord war. Ich war am Tatort. Es roch nach Daniel Gordons Vampiren.«
    »Ich glaube dir, Jäger«, sagte der Fürst ruhig.
    Die schwarzen Augen des kleinen, breitschultrigen Ungarn musterten mich. Trotz seiner geringen Größe strahlte er so selbstverständlich Macht aus wie Eis die Kälte.
    Er entließ mich mit einer raschen Geste und ich nahm wieder meinen Platz neben Curtis ein. Während die Clanherren diskutierten, wie mit der neuen Situation umzugehen sei, strich mir mein Meister mit dem Daumen über den Puls meinesHandgelenkes. Die ruhige Bewegung besänftigte mein aufgeregtes Herz und ich atmete erleichtert auf.
    »Wenn Gordon das Messer vor uns findet, wird eine Auseinandersetzung viel riskanter«, sagte Liliana Mereley und sah mit brennenden Augen in die Runde. »Greifen wir ihn jetzt an!«
    Ein anderer Clanherr meldete sich zu Wort. »Ich bin dafür. Gordon rüstet sich, das weiß jeder. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er einen von uns attackiert. Ich will mein Revier nicht verlieren!«
    »Nein!«, dröhnte Fürst Andrassys Bass. »Die Beweise reichen nicht aus, um das zu rechtfertigen. Wir haben Gesetze, und ich werde sie nicht für euch umschreiben!«
    »Im letzten Monat gab es vier Morde an Sterblichen, die auf Gordons Vampire zurückzuführen sind, drei allein in meinem Revier«, klagte ein Meister aus North Hollywood. »Ich wollte Gordon informieren, aber er hat meinen Boten nicht einmal empfangen!«
    »Genug, ich weiß das alles.« Fürst Andrassys Blick glitt von meinem Meister zu mir und wieder zurück.
    »Curtis
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