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Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Autoren: Anne Holt
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sie stehen. Es machte ihm Probleme, die Haustür wieder zuzumachen. Beim Aufbrechen hatte er ein Stück des Rahmens eingedrückt, und nun paßte das Türblatt nicht mehr richtig hinein. Vorsichtig und so leise wie möglich drückte er die Tür zu, so fest es ging. Bei diesem Wind war schwer zu sagen, wie lange sie geschlossen bleiben würde.
    Beide Schlafzimmertüren waren geschlossen. Es war unleugbar von einer gewissen Bedeutung, daß er sich die richtige aussuchte. Der Mann hatte vielleicht einen leichten Schlaf.
    Finn Håverstad überlegte, welches Zimmer wohl das größere sei, so, wie die Türen angebracht waren und wie er das Haus in Erinnerung hatte. Er entschied sich für die richtige Tür.
    An einer Wand stand ein großes Doppelbett. Eine Bettdecke lag, ordentlich dreifach gefaltet, wie ein Riesenkissen quer darüber. Auf der Seite zur Tür hin lag ein Mensch. Es war nicht möglich, ihn zu sehen, denn er hatte die Decke so weit über den Kopf gezogen, daß am Kopfende nur ein paar Haarbüschel hervorlugten. Sie waren blond. Finn Håverstad machte ruhig die Tür hinter sich zu, fischte die Pistole aus dem Hosenbund, legte den Ladegriff vor und ging auf den Schläfer zu.
    Mit übertrieben langsamen Bewegungen, wie in Zeitlupe, näherte er den Pistolenlauf dem Kopf im Bett. Dann traf er plötzlich auf etwas Hartes, sicher die Schläfe. Die Wirkung blieb nicht aus. Der Mann erwachte und versuchte, sich aufzusetzen.
    »Liegenbleiben«, kläffte Håverstad.
    Ob es an dem Befehlston lag oder an der Tatsache, daß der Mann nun die Waffe entdeckt hatte, war schwer zu sagen, jedenfalls legte er sich wieder hin. Und er war plötzlich hellwach.
    »Was, zum Teufel, soll das«, sagte er und gab sich Mühe, wütend auszusehen.
    Das gelang ihm nicht. Die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. Seine Augen flackerten, und die Nasenlöcher weiteten und verengten sich im Takt seines schweren, keuchenden Atems.
    »Bleib ganz still liegen und hör mir erst mal zu«, sagte Håverstad mit einer Ruhe, die ihn selbst überraschte. »Ich werde dir nichts tun. Jedenfalls nichts Schlimmes. Wir reden nur eine Runde. Aber ich schwöre beim Leben meiner Tochter: Wenn du laut wirst, dann schieße ich.«
    Der Mann im Bett starrte die Waffe an. Danach wanderte sein Blick zu seinem Angreifer weiter. Dessen Gesicht kam ihm bekannt vor, aber gleichzeitig war er sich hundertprozentig sicher, daß er diesen Menschen noch nie gesehen hatte. Es war irgend etwas mit den Augen.
    »Was, zum Teufel, willst du?« fragte er noch einmal.
    »Ich will mit dir reden. Steh auf! Hände hoch! Nimm sie nicht eine Sekunde runter.«
    Der Mann versuchte erneut, sich zu erheben. Das war nicht leicht. Das Bett war niedrig, und er durfte ja seine Hände nicht benutzen. Schließlich schaffte er es.
    Finn Håverstad war zehn Zentimeter größer als sein Opfer. Das verschaffte ihm den nötigen Vorteil, als der Vergewaltiger nun vor ihm stand und weitaus weniger hilflos wirkte als eben im Bett. Er trug einen Schlafanzug aus Baumwolle, ohne Schlitz und Knöpfe. Das Oberteil hatte einen V-Ausschnitt. Das Ganze sah fast aus wie ein Trainingsanzug. Der Schlafanzug war verwaschen und saß ziemlich eng, und der Zahnarzt trat einen Schritt zurück, als er die dicken Muskeln unter dem dünnen Stoff sah.
    Mehr als dieses kleine Eingeständnis von Unsicherheit war nicht nötig. Der Vergewaltiger stürzte sich auf Håverstad, und beide schlugen gegen die nur einen Meter hinter ihnen liegende Wand. Das entschied den Kampf. Håverstad fand die nötige Stütze und preßte den Rücken gegen die Mauer, während der andere das Gleichgewicht verlor und auf ein Knie fiel. Blitzschnell versuchte er, wieder auf die Beine zu kommen, aber es war zu spät. Der Pistolenkolben traf ihn über dem Ohr, und er sank in sich zusammen. Es tat schrecklich weh, aber er verlor das Bewußtsein nicht. Håverstad nutzte die Gelegenheit, um den knienden Mann mit einem Fußtritt zum Bett zurück zu befördern; der lehnte den Rücken an die dicke Federkernmatratze, rieb sich den Kopf und jammerte. Håverstad stieg über seine Beine hinweg und hielt die ganze Zeit die Waffe auf ihn gerichtet. Dann packte er das Kopfkissen. Ehe der sitzende Mann sich’s versah, hatte der andere seinen Arm auf die Matratze gepreßt und mit dem Kissen bedeckt. Danach begrub er die Waffe tief unter den Daunen und drückte ab.
    Der Schuß hörte sich an wie ein schwaches »plupp«. Beide waren überrascht. Håverstad von dem, was
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