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Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Autoren: Anne Holt
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er getan hatte, und von dem leisen Knall, und der andere, weil der Schmerz auf sich warten ließ. Aber nicht allzulange. Der Mann wollte schon aufschreien, doch der Anblick des auf ihn gerichteten Laufes ließ ihn die Zähne zusammenbeißen. Er hielt sich den Arm vor die Brust und stöhnte. Das Blut quoll nur so aus der Wunde.
    »Jetzt kapierst du vielleicht, daß ich’s ernst meine«, flüsterte Håverstad.
    »Ich bin Polizist«, stöhnte der andere.
    Polizist? Diese gemeine, unmenschliche Vernichtungsmaschine wollte bei der Polizei sein? Håverstad fragte sich kurz, was er mit dieser Information anfangen sollte. Dann schob er sie beiseite. Es spielte keine Rolle. Nichts spielte eine Rolle. Er fühlte sich stärker denn je.
    »Aufstehen«, kommandierte er noch einmal, und diesmal leistete der Polizist keinerlei Widerstand. Er wimmerte noch immer vor sich hin und ging gehorsam die Treppe hinauf in den ersten Stock. Håverstad hielt sich mehrere Meter hinter ihm, um nicht von einem plötzlichen Ausfall des anderen getroffen zu werden.
    Das Wohnzimmer war dunkel, die Vorhänge waren zugezogen. Nur ein Lichtschein aus der Küche, wo die Lampe über dem Herd brannte, ermöglichte es, überhaupt etwas zu sehen. Håverstad ließ den Polizisten an der Treppe stehen und schaltete neben der Küchentür eine Wandlampe ein. Dann sah er sich im Wohnzimmer um. Er zeigte auf einen Korbsessel. Der Polizist glaubte, er solle sich setzen, aber Håverstad befahl: »Stell dich mit dem Rücken zur Rücklehne!«
    Das Aufrechtstehen fiel dem Polizisten schwer. Noch immer quoll Blut aus der Wunde an seinem Arm. Er wurde langsam blaß, und trotz des schwachen Lichtes konnte Håverstad das Entsetzen in seinem Gesicht und den Schweiß auf der hohen Stirn sehen. Dieser Anblick tat ihm richtig gut.
    »Ich verblute«, jammerte der Polizist.
    »Tust du nicht.«
    Es war ziemlich schwer, dem Mann mit nur einer Hand Arme und Beine zu fesseln. Håverstad mußte bisweilen beide Hände zu Hilfe nehmen, ließ aber auch dann die Pistole nicht los, die die ganze Zeit auf den anderen zeigte. Zum Glück hatte er dieses Problem vorausgeahnt und fertig zurechtgeschnittene Seile mitgebracht. Endlich war der Polizist vertäut. Seine Beine waren, leicht gespreizt, jeweils an ein Sesselbein gebunden. Die Arme waren nach hinten gedrückt und an dem Teil der Armlehnen befestigt, wo sie sich bogenförmig zur Rücklehne hochschwangen. Der Sessel war nicht besonders schwer, und der Mann blieb nur mit Mühe im Gleichgewicht. Immer wieder drohte er vornüber zu kippen. Håverstad packte einen großen Fernseher, der auf einem Glasschränkchen mit Rädern stand, riß die Leitung aus der Steckdose und stellte den Apparat auf den Sessel.
    Dann ging er in die Küche und öffnete eine Schublade. Die falsche. Beim dritten Versuch fand er das Gesuchte. Ein ganz normales großes Tranchiermesser, finnisches Fabrikat. Er fuhr mit dem Daumen über die Schneide und ging zurück ins Wohnzimmer.
    Der Polizist war in sich zusammengesunken und sah aus wie ein toter Hampelmann. Die Stricke verhinderten, daß er ganz umkippte, und er hing in absurder, fast komischer Haltung da; mit gespreizten Beinen, gebeugten Knien und hilflos nach hinten verzerrten Armen. Finn Håverstad zog sich einen Sessel heran und setzte sich.
    »Weißt du noch, was du am 29.   Mai gemacht hast?«
    Der Mann hatte offenbar keine Ahnung.
    »Nachts? An dem Samstag vor zehn Tagen?«
    Jetzt wußte der Polizist, warum ihm der Mann bekannt vorkam. Die Augen. Die Frau aus Homansbyen.
    Bis jetzt hatte er Angst gehabt. Angst wegen seiner Armwunde und vor diesem grotesken Kerl, dem es offenbar eine perverse Freude bereitete, ihn zu quälen. Aber er hatte nicht geglaubt, daß er würde sterben müssen. Das glaubte er erst jetzt.
    »Keine Panik«, sagte Håverstad. »Ich will dich auch jetzt nicht umbringen. Wir wollen uns nur ein bißchen unterhalten.«
    Dann stand er auf und packte den anderen am Schlafanzugoberteil. Er steckte das Messer in den V-Ausschnitt und zog es nach unten, so daß das Oberteil sich plötzlich in eine Jacke verwandelte. In eine zerfetzte, schiefe Jacke. Dann wiederholte er das Manöver am Hosenbund. Die Hose rutschte herunter und wurde auf Oberschenkelhöhe von den gespreizten Beinen aufgefangen. Alles von Bedeutung war nun nackt und wehrlos.
    Finn Håverstad setzte sich wieder in seinen Sessel.
    »Jetzt können wir uns unterhalten«, sagte er, die österreichische Pistole in der einen und ein
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