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Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Autoren: Anne Holt
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ab und zu einen schlaftrunkenen Adjutanten an, um sich eine Festnahme oder einen Wohnungsaufbruch genehmigen zu lassen. Der Boden des Raumes fiel zur Mitte hin ab. Hanne Wilhelmsen saß auf der zweiten Bank. Rasch hatte sie auf der riesigen Oslokarte, die ihr gegenüber an der Wand befestigt war, Kristine Håverstads Adresse gefunden. Die starrte sie nun schon seit Minuten an. Sie wartete müde und mit bangen Ahnungen auf die Rückmeldung des Streifenwagens, der den Auftrag übernommen hatte. Zerstreut und vor lauter Anspannung zerbrach sie drei Bleistifte, die im Grunde nichts Böses getan hatten.
    »Fox drei-null an null-eins.«
    »Null-eins an Fox drei-null. Was ist los?«
    »Er läßt uns nicht rein.«
    »Er läßt euch nicht rein?«
    »Entweder ist er nicht zu Hause, oder er will uns nicht reinlassen. Eher letzteres, glauben wir. Sollen wir die Tür knacken?«
    Es mußte Grenzen geben! Egal, wie wichtig es war zu erfahren, was dieser Trottel Finn Håverstad erzählt hatte, es gab keinerlei Handhabe, um die Tür gewaltsam zu öffnen. Für den Bruchteil einer Sekunde spielte sie mit dem Gedanken, den Ärger, den das bringen würde, zu riskieren. Aber kein Adjutant auf der ganzen Welt würde für einen so offenbaren Gesetzesbruch grünes Licht geben.
    »Nein«, seufzte sie resigniert. »Versucht es einfach weiter. Geht ihm auf den Geist. Klingelt ununterbrochen. Null-eins Ende.«
    Das Auto hatte sich die Sache anders überlegt. Nachdem es sich Kristine Håverstads eifrigen Versuchen, den Motor anzulassen, zunächst hartnäckig widersetzt hatte, fuhr es jetzt unerklärlicherweise und ganz plötzlich los. Sie brauchte eine knappe halbe Stunde, um ihren Bestimmungsort zu erreichen.
    Sie wollte nicht das Risiko eingehen, gesehen zu werden. Schon zwei Tage zuvor hatte sie beschlossen, daß es zwischen drei und vier Uhr passieren müsse. Und bis dahin hatte sie noch viel Zeit. Inzwischen durfte sie nicht entdeckt werden. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, so früh von zu Hause wegzufahren. Andererseits war sie ihrem Ziel jetzt so nahe, daß sie die Beine in die Hand nehmen konnte, falls ihr Auto einem weiteren Anfall von Rachsucht erliegen sollte. Es konnte unmöglich mehr als zwei oder drei Minuten in Anspruch nehmen, zu dem Reihenhaus zu laufen, in dem ihr Vergewaltiger sich aufhielt.
    Der Regen tat gut. Schon strömten kleine Bäche unter Pullover und Regenjacke ihren Nacken hinab. Normalerweise wäre ihr das unangenehm gewesen, aber heute war es anders. Es war kalt, aber sie fror nicht. Sie war wie betäubt, aber in ihrem Körper hatte sich eine neue, unbekannte Ruhe ausgebreitet, eine Art totale, alles umfassende Kontrolle. Ihr Herz schlug hart und gleichmäßig, aber nicht zu rasch.
    Vor ihr lag ein Wäldchen, durch das ein ausgetretener, breiter Weg führte. Auf einer Lichtung ungefähr in der Mitte des kreisförmigen Waldes stand eine hölzerne Bank. Dorthin setzte sie sich. Über ihr grummelte der Himmel und spuckte wütende Blitze. Auf jeden Blitz folgte ein heftiges Krachen, bedrohlich bald, nachdem unheimliches blaues Licht das Wäldchen erfüllt hatte. Der Regen war ein Segen, denn er jagte alle Zeugen ins Haus. Das Gewitter, das jetzt offenbar genau über ihr hing, war schlimmer: Es hielt die Leute wach. Aber gegen das Wetter war kein Kraut gewachsen. Sie mußte es darauf ankommen lassen. Sie schüttelte die vage Unruhe, die sie bei den Blitzen überkommen hatte, ab und fühlte sich wieder gelassen und bereit für ihr Vorhaben.
    Der Hubschrauber schwebte wie ein bedrohlicher, polternder Donnergott nur fünfzehn Meter über dem verschlammten Rasen des Jordal Amfi. Er schwang schwer und gleichmäßig von einer Seite auf die andere, als sei er mit einem unsichtbaren Kabel an der schwarzen Wolkendecke befestigt. Langsam näherte das Ungeheuer sich dem Boden.
    Ein uniformierter Polizist öffnete die Tür und sprang heraus, als der Hubschrauber noch gar nicht zum Stillstand gekommen war. Er wartete in gebückter Haltung einen Moment, während die Rotoren noch immer bedrohlich über ihm schrapten. Ihm folgte eine kleine, schmächtige Gestalt in einem roten Regenmantel. Sie zögerte in der Hubschraubertür kurz, wurde von dem ungeduldigen Polizisten aber rasch herausgezerrt. Er nahm ihre Hand, und zusammen liefen sie durch spritzenden Matsch und heftige Windstöße. Hanne Wilhelmsen hatte irrsinnig wenig Zeit, wartete aber dennoch auf den Hubschrauberpiloten. Schließlich kam er, blaß und erschöpft.
    »Ich
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