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Selbs Betrug

Selbs Betrug

Titel: Selbs Betrug
Autoren: Schlink
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Wir sitzen vor dem Radio, jede volle Stunde gibt’s Nachrichten, jedesmal denken wir: jetzt, und jedesmal ist nichts. Dabei hatten wir zwei Tote zu bieten – keine kleine Sache.« Auch die nächsten Tage war nichts, und zur Enttäuschung kam die Unsicherheit, was aus Bertram und Leo geworden war, was er nach seiner Festnahme ausgesagt hatte und ob auch sie festgenommen oder wohin sie untergetaucht war. Aber Bertram konnte eigentlich nichts Wichtiges verraten, weil er von Helmut und Ingo nichts Wichtiges wußte, und bei Leo war Helmut sicher, daß sie nichts würde verraten wollen. So machten sie sich an die Arbeit und schrieben Fernsehen und Zeitungen an. Als daraus nichts wurde, wollte Helmut die ganze Sache aufgeben. »Er hat dich zwar noch in Marsch gesetzt, damit du nach der Kleinen suchst, und er hat gesagt, er macht’s, damit wir mehr Druck machen können, ohne fürchten zu müssen, daß sie die Sache eines Tages verpatzt. Mein Geld hat er dafür genommen. Aber ich glaube, er hat’s nur gemacht, weil er die Kleine wiederhaben wollte, und hat längst an neue Sachen gedacht.«
    Das war Peschkaleks Stunde. Er beschattete mich, wäre dadurch beinahe Leo auf die Spur gekommen, und hetzte Rawitz und Bleckmeier auf mich. Als auch der Schuß auf Rolf die Sache nicht hinreichend öffentlich machte, zeigte Peschkalek zunächst mich an und dann Helmut und Leo. »Helmut ist immer in Kontakt mit mir geblieben. Daß auch er mal auf die Nase fallen kann, daran hat er nicht gedacht.«
    Peschkalek hatte sich warmgeredet und sah mich hoffnungsvoll fragend an. »Es ist noch alles drin, Gerd. Wenn der Prozeß kommt, Helmut Käfertal platzen läßt und Viernheim präsentiert – das schlägt ein wie eine Bombe, und Fernsehen und Zeitungen, alle, die von meiner Story nichts wissen wollten, werden sich um sie reißen. Mit der Karte, die du hast, wird die Geschichte noch besser und noch teurer. Das bringt leicht für jeden von uns eine halbe Million, leicht.« Er suchte vergebens in den Taschen von Jacke und Hose. »Hast du eine Zigarette?«
    Ich zündete mir selbst eine an, warf ihm das gelbe Päckchen und das Feuerzeug zu und lehnte mich ans Regal. »Vergiß es. Das wird nichts mehr. Aber du könntest mir das Material geben.«
    »Was willst du damit?«
    »Keine Angst, ich mach’s nicht zu Geld. Vielleicht kann ich Leo damit rausholen.«
    »Du spinnst. An Viernheim arbeite ich seit einem halben Jahr. Das alles soll für die Katz sein?«
    »Es ist eh aus. Die Polizei weiß, daß der Schuß auf Wendt aus Lemkes Waffe kam. Wenn sie es Lemke vorhält, weiß er, daß du ihm die Pistole genommen und auf Wendt geschossen hast. Er wird nicht für einen Mord zahlen wollen, den er nicht begangen hat. Er muß dich der Polizei nennen. Er hat gar keine andere Wahl. Gib’s auf, Ingo.«
    Ich griff 15.6 aus dem Regal, Ordner und Kassette. Er sprang auf und packte den Ordner und die Kassette. Ich versuchte, beides festzuhalten, aber hatte keine Chance. Er war jung, kräftig und wütend. Es gab ein kurzes Gezerre, dann hatte er sein Zeug wieder.
    Peschkalek sah mich an, böse und lauernd. »Damit kommst du nicht durch.« Spielerisch holte er mit der Rechten nach mir aus. Ich wich zurück. Er legte den Ordner und die Kassette aus der Linken und kam näher. Ich hatte keine Ahnung, was er wollte. Er tanzte einen Schattenboxtanz, holte mal mit der einen, mal mit der anderen Faust aus, und ich wich weiter zurück. Drehte er durch? Dann traf mich sein Schlag, und ich stolperte rückwärts durch die offene Badezimmertür, riß Gläser, Flaschen und Wannen zu Boden und lag in den Trümmern der Dunkelkammer.
    Ich rappelte mich auf. Es roch nach Chemie. Mit dem leisen Ploff, mit dem im Gasherd der Backofen angeht, zündete die Zigarette, die ich beim Sturz verloren hatte, die Pfütze unter der Badewanne. Ich stürzte am erschrockenen Peschkalek vorbei ins große Zimmer. Hinter mir machte es noch einmal Ploff und noch einmal, ich spürte die Wärme des Feuers, drehte mich um, sah das Feuer aus der Badezimmertür schlagen, den Teppich und das Regal ergreifen. Peschkalek zog sich die Jacke vom Leib und schlug auf das Feuer ein. Es war völlig aussichtslos.
    »Raus!« Ich schrie. Das Feuer wurde laut. Im Schlafzimmer flammten Bett und Schrank. »Raus!«
    Die Jacke, mit der er aufs Feuer einschlug, brannte. Ich packte ihn, aber er machte sich los. Ich packte ihn noch mal und zerrte ihn zur Tür. Ich riß sie auf. Als ein Windschwall hineinwehte, stand das
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